Das „Osterpaket“ der Bundesregierung aus dem April 2022 hat die Weichen für den Ausbau der Offshore-Windenergie gestellt. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes öffnete das Aufenthaltsrecht für den Einsatz von Offshore-Technikern/Arbeitern aus Drittstaaten auf See. Die Änderungen der Beschäftigungsverordnung (BeschV) traten am 29. Juli 2022 in Kraft.

Übersicht

  • Die Einreise und Tätigkeit von Ausländern im Bundesgebiet ist zum Schutz des deutschen Arbeitsmarktes einer strengen Regulierung durch das Aufenthaltsrecht unterworfen.
  • Das Bundesverfassungsgericht entschied am 27. April 2021, dass Seeleute, die im deutschen Küstenmeer Offshore-Tätigkeiten nachgehen, nicht den besonderen aufenthaltsrechtlichen Ausnahmen für Seeleute unterfallen, sondern wie Arbeiter auf dem Festland zu behandeln sind.
  • Diese aufenthaltsrechtlichen Beschränkungen von Offshore-Tätigkeiten hat der Gesetzgeber durch den neuen § 24b BeschV beseitigt.

Die neue Regelung

§ 24b BeschV

Windenergieanlagen auf See und Offshore-Anbindungsleitungen

Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Ausländerinnen und Ausländer, die im deutschen Küstenmeer beschäftigt werden, um Tätigkeiten zur Errichtung und Instandsetzung von Windenergieanlagen auf See und Offshore-Anbindungsleitungen durchzuführen, einschließlich der Be- und Entladearbeiten im Hafen und der sonstigen Tätigkeiten von übrigen Mitgliedern der Besatzung der dazu eingesetzten Schiffe. Die Befreiung von der Zustimmung umfasst einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten. […]“

FAQ

1. Welche Zustimmung ist gemeint?

Für eine Beschäftigung im Bundesgebiet bedarf es der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, soweit im Gesetz nicht etwas Abweichendes geregelt ist (§ 39 AufenthG). § 24b BeschV ist eine solche abweichende gesetzliche Regelung. Die Beschäftigung mit Offshore-Tätigkeiten bedarf fortan keiner Zustimmung mehr.

Praxistipp

Nicht entfallen sind die Anforderungen zur Einreise in das Bundesgebiet nach dem Aufenthaltsrecht. Hierfür bedarf es grundsätzlich eines Visums.

2. Ist diese Regelung auch für Unionsbürger relevant?

Nein. Zwar sind Unionsbürger Ausländer. Sie dürfen allerdings bereits aufgrund der europarechtlichen Grundfreiheiten in das Bundesgebiet einreisen und dort etwa als Offshore-Techniker tätig werden. Die Einzelheiten sind im Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt.

3. Gilt die Regelung auch für Offshore-Tätigkeiten in der deutschen AWZ?

Nein. Tätigkeiten von Offshore-Technikern jenseits der 12-Seemeilen-Grenze des deutschen Küstenmeers unterliegen von vornherein keinen aufenthaltsrechtlichen Einschränkungen. Wer aber innerhalb des deutschen Küstenmeeres Offshore-Tätigkeiten für einen Offshore-Windpark in der deutschen AWZ verrichtet, ist betroffen.

4. Gilt diese Regelung auch für Selbstständige?

Nein. Selbstständige Offshore-Techniker benötigen weiterhin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG für Offshore-Tätigkeiten im Küstenmeer.

5. Sind nur besonders qualifizierte Fachkräfte ausgenommen?

Nein. Der Nachweis einer besonderen Qualifikation gegenüber den Behörden ist streng genommen nicht erforderlich. Es handelt sich nicht um Fachkräfteeinwanderung. Soweit in der offiziellen Gesetzesbegründung „qualifizierte Arbeitskräfte“ beispielhaft genannt sind, wird nur das Offensichtliche bestätigt, nämlich dass Offshore-Techniker in der Praxis ohnehin stets über eine bestimmte Qualifikation verfügen.

6. Wie ist es mit Leiharbeitnehmern?

Die Regelung gilt für eigenes und fremdes Personal, jedenfalls soweit der Verleiher im Ausland sitzt. Ob sie auch gilt, wenn ein Leiharbeitnehmer aus Drittstaaten von einer inländischen Gesellschaft ausschließlich zur Erledigung von Offshore-Tätigkeiten angestellt und sodann verliehen wird, ist noch ungeklärt.

Praxistipp

Bei Fremdpersonal sind die Meldepflichten des Entleihers nach § 17b AÜG zu beachten. Im Falle eines Verstoßes drohen Bußgelder.

7. Gilt die Regelung auch für Seeleute?

Ja. Auch Besatzungsmitglieder von Schiffen bedürfen keiner Zustimmung zur Vornahme von Offshore-Tätigkeiten.

8. Welche Arbeiten dürfen vorgenommen werden?

Sämtliche Tätigkeiten zur Errichtung und Instandsetzung von Windenergieanlagen auf See und von Offshore-Anbindungsleitungen im deutschen Küstenmeer. Das schließt Voruntersuchungen des Meeresbodens ein. ACHTUNG: Die Wartung von Windenergieanlagen und Seekabeln ist nach den Gesetzesmaterialien hingegen nicht erfasst (BT-Drs. 20/1634, S. 111).

Praxistipp

Gewährleistungsarbeiten sind in der Regel Instandsetzungsarbeiten.

9. Beschränken sich die Offshore-Tätigkeiten auf das Küstenmeer?

Nein.Umfasst sind etwa auch Be- und Entladearbeiten im Hafen, also etwa die Mobilisierung und Demobilisierung an Land. Der Begriff des Hafens ist am Normzweck orientiert eher weit auszulegen. Zusammenhängende Offshore-Tätigkeiten in Binnengewässern, die an das Küstenmeer angrenzen, dürften ebenfalls statthaft sein.

10. Wie lange dürfen die Offshore-Tätigkeiten ausgeführt werden?

Max. für 24 Monate. Ist ein längerer Einsatz vorgesehen, kann sich der Offshore-Techniker nicht auf die Regelung berufen. Die Ausreise und Wiedereinreise für dasselbe Projekt lassen die 24 Monate nicht neu beginnen. Noch ungeklärt, aber denkbar ist, dass ein Offshore-Techniker/Arbeiter erneut zustimmungsfrei für ein anderes zeitlich begrenztes Projekt einreist und tätig wird.

11. Was müssen Arbeitgeber machen?

Arbeitgeber haben das Vorliegen der Voraussetzungen der Beschäftigung von Ausländern zu prüfen. Das Visum für die Einreise muss der Offshore-Techniker selbst beantragen. Arbeitgeber können hier unterstützen. Bei Offshore-Tätigkeiten hat der Arbeitgeber die erforderlichen Angaben in der „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ der Bundesagentur für Arbeit zu machen.

12. Welche Sanktionen drohen bei Nichteinhaltung der Regelung?

Die Sanktionen sind spürbar, insbesondere:

  • Die vorsätzliche Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung zur Erwerbstätigkeit ist unter bestimmten Voraussetzungen strafbar.
  • Die fahrlässige oder vorsätzliche Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung zur Erwerbstätigkeit begründet eine Ordnungswidrigkeit mit einem erheblichen Geldbußenrahmen.
  • Gleiches gilt für die Beauftragung eines Unternehmers, der einen Ausländer ohne die erforderliche Genehmigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt (Auftraggeberhaftung).
  • Ausschluss von Subventionen und Vergabeverfahren.
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