08.11.2021

Videoüberwachung – Was ist erlaubt und wo sind die Grenzen?

Der Erwerb und der Betrieb eines Videoüberwachungssystems wird immer einfacher, App gesteuert nahezu ein Kinderspiel. Aber ist das auch rechtlich so?

Eine neuere Entscheidung des OLG Stuttgart vom 18. März 2021 (12 U 296/20) greift dies noch einmal auf: Es muss ein berechtigter Zweck bestehen, die Videoüberwachung muss verhältnismäßig sein und die Beobachtung erkennbar gemacht werden. Das Urteil konkretisierte das Erfordernis der Dokumentation des bestehenden Zwecks, indem es bestimmt, dass dieser Zweck schon vor Beginn der Überwachung konkret und formgerecht festgelegt sein muss. Erforderlich hierfür ist eine Dokumentation des Zwecks in schriftlicher oder elektronischer Form.

Im vorliegenden Fall überwachte der Beklagte einige Verkaufsräume seines Einkaufszentrums mittels Videoüberwachung. Die Aufstellung von Videokameras sollte „zur Gefahrenabwehr“ und „zur Strafverfolgung“ dienen und Diebe abschrecken. Die Videokameras waren installiert, weil aus wirtschaftlichen Gründen kein weiteres Personal zur Überwachung eingestellt werden konnte. Das OLG Stuttgart entschied, dass die Videoaufzeichnung unrechtmäßig erfolgte, da der Zweck der Überwachung vor deren Beginn nicht hinreichend dokumentiert wurde. Das zeigt, wie sorgfältig bei einer Videoüberwachung vorgegangen werden muss, wobei noch weitere Voraussetzungen zwingend zu beachten sind.

Im folgenden Beitrag sollen die einzelnen Voraussetzungen der Videoüberwachung nochmals erläutert werden:

Die Voraussetzungen der Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume per Videoüberwachung richten sich nach § 4 BDSG und Art. 6 DS-GVO, da personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, sobald Personen durch die Überwachung identifizierbar aufgenommen werden.

Beobachten meint hierbei die Sichtbarmachung von Geschehnissen und Personen mittels technischer Einrichtungen. Dabei ist es irrelevant, ob die Aufnahmen gespeichert werden oder nicht.

Öffentlich zugängliche Räume liegen bei Bereichen vor, die entweder dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann genutzt oder betreten werden können. Entscheidend ist allein die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit durch einen unbestimmten Personenkreis (hierunter fallen beispielsweise auch Treppenhäuser, Außenanlagen, der Empfang eines Bürogebäudes, Ausstellungsräume eines Museums, Verkaufsräume eines Warenhauses, Tankstellen oder Schalterhallen eines Bahnhofs).

Die Videoüberwachung eines solchen öffentlich zugänglichen Raums ist zulässig, wenn:

  • ein berechtigter Zweck besteht, (1.)
  • die Überwachung verhältnismäßig ist und (2.)
  • und die Beobachtung erkennbar gemacht wird (3.).

 

  1. Zweck

Zunächst muss die Videoüberwachung einem berechtigten Zweck dienen. Ein solcher liegt beispielsweise bei einer Überwachung zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen (betrifft nur Behörden und muss sich aus einer Rechtsvorschrift ergeben) oder zur Wahrnehmung des Hausrechts (zum Schutz des Objekts bzw. zur Abwehr unbefugten Betretens) vor.

Relevant ist auch die Überwachung, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist.

Ein berechtigtes Interesse ist in den Bereichen der Gefahrenabwehr oder der Betriebsabläufe anerkannt. Dabei kann der Zweck auch präventiv gefasst sein, sodass die Abwehr abstrakter oder drohender Gefahren für die Rechtsgüter des Verantwortlichen zulässig ist. Jedoch muss sich die Gefahrenlage hinsichtlich der Überwachungssituation objektiv begründen lassen. Zu solch potenziell gefährdeten Bereichen zählen im Hinblick auf Eigentumsdelikte Einkaufszentren und weitläufige bzw. schwer einsehbare Geschäftsräume. [wie ist das mit Büroräumen?]

Bezüglich des berechtigten Interesses dürfen jedoch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen auf jeden Fall dann, wenn durch die Videoüberwachung höchstpersönliche Bereiche insbesondere der Intimsphäre erfasst werden. Aus diesem Grund ist die Überwachung von Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen oder ärztlichen Behandlungsräumen auch zum Zweck der Diebstahls- oder Vandalismusprävention generell unzulässig.

Schließlich muss der Zweck vorher konkret und formgerecht festgelegt sein. Die Festlegung muss zu Beginn der Maßnahme erfolgen, da eine Überprüfung durch die Datenschutzbehörde möglich sein soll und ansonsten ein passender Zweck im Nachgang konstruiert werden könnte. Erforderlich für eine vorherige konkrete und formgerechte Festlegung des Zwecks ist daher:

  • die Dokumentation des Zwecks, entweder schriftlich oder elektronisch sowie
  • die hinreichende Konkretisierung des Zwecks. Eine bloße Aufführung des Zwecks als „zur Gefahrenabwehr“ oder „zur Strafverfolgung“ genügt diesem Erfordernis nicht.

 

  1. Verhältnismäßigkeit

Die Videoüberwachung muss zur Erreichung des genannten Zwecks auch erforderlich sein. Dies setzt voraus, dass die Videoüberwachung geeignet ist, das Überwachungsziel tatsächlich zu erreichen und dass dafür kein anderes gleich wirksames, aber die betroffenen Personen weniger in ihren Rechten beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung steht. Zu denken wäre an andere Aufteilung des Raumes und der Waren, Spiegel oder Kontrollgänge des Personals.

Dabei kann auch die unvermeidbare Überwachung Unbeteiligter erforderlich sein, wie zum Beispiel die Überwachung der Kassenräume in Banken, Tankstellen oder Bierzelten einschließlich der dort Beschäftigten.

  1. Erkennbarkeit

Die Videoüberwachung ist den betroffenen Personen gegenüber transparent zu machen, da die Personen erst dadurch in die Lage versetzt werden, ihre Rechtsbeeinträchtigungen wahrzunehmen und gegebenenfalls auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen.

Dabei ist der Umstand der Beobachtung sowie der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen erkennbar zu machen. Eine einfache Nennung der verantwortlichen Stelle reicht nicht mehr aus, vielmehr müssen zusätzlich Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder postalische Anschrift erwähnt werden. Erkennbar sind die Hinweise erst, wenn sie für die betroffenen Personen ohne Suchaufwand wahrnehmbar sind, also „ins Auge fallen“. Auch dies ist ein Punkt, der häufig übersehen wird und in der tatsächlichen Umsetzung ausgesprochen schwierig zu beurteilen ist.

  1. Löschungspflicht

Bleibt zu erwähnen, dass die Aufnahmen unverzüglich zu löschen sind, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Auch dies ist ein Punkt, der sorgfältig zu erwägen und umzusetzen ist.

  1. Beweislast

Übrigens, nach Art. 5 II DS-GVO ist der Verantwortliche für die Einhaltung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können.

Die Darstellung zeigt, dass das schlichte Anbringen einer Videokamera an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft ist, die genauestens umgesetzt werden müssen.

Dabei beraten wir gerne. Wenden Sie sich gerne an Thomas Hertl.