26.11.2021

Koalitionsvertrag 2021 – 2025 der Ampelkoalition – Implikationen für die Luft- und Raumfahrt

Der am 24. November 2021 vorgestellte Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und FDP lassen für den Bereich Luft- und Raumfahrt in den folgenden Punkten Änderungen erwarten:

1.    Wirtschaft

Die Eigenständigkeit der nationalen Raumfahrtprogramme sowie der Europäischen Weltraumorganisation soll gewahrt bleiben und als nationale Zukunftstechnologie gestärkt werden. Ein hervorgehobener Punkt hierbei ist die Entwicklung von neuen Raumfahrtstrategien unter Vermeidung und Bergung von Weltraumschrott (S. 27).

Die Ziele der Luftfahrt sind weniger konkret. Deutlich wird die Unterstützung der Forschung für klimaneutraleren Luftverkehr durch Erforschung von synthetischen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel (SAF). Luftfahrtforschungsprogramme (u. a. Materialforschung und Leichtbau) sollen beschleunigt und Vorauszahlungen ermöglicht werden (S. 27).

Hierdurch soll die Klimawirkung des gesamten Luftverkehrs optimiert werden.

2.    Umwelt und Naturschutz

Interessant ist auch der Plan, die Waldbearbeitung mit bodenschonenden Saatdrohnen zu fördern. Dies ist ein bisher ein Wirtschaftszweig mit wenigen Anbietern. (S. 39).

Das nationale Luftreinhalteprogramm setzt Maßnahmen um, welche das Ablassen von Kerosin transparent machen sollen. Dieser Punkt dürfte mit europäischen Sicherheitsvorschriften zum Betrieb von Luftverkehrsflugzeugen kollidieren, sehen diese doch eine Mindestmenge vor, die ein Flugzeug eben für den Ernstfall (Umleitung, Holding) mit sich führen muss, jedoch vor planmäßiger Landung derzeit – unter bestimmten Voraussetzungen – zur Gewichtsreduzierung ablassen muss (S. 41).

3.    Klima, Energie, Transformation

Der „grüne“ Stempel für die Luftfahrtbranche und der wohl einschneidenste Punkt: Die Koalition formuliert das Ziel der europaweiten Einführung einer  Luftverkehrsabgabe in Anlehnung an die deutsche Luftverkehrsteuer bis zur Entscheidung der EU über die Erhebung einer Kerosinsteuer.

Aktuell lässt die EG-Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG eine Besteuerung von Kerosin nur national zu. Auf EU-Ebene sind hierfür bilaterale Abkommen notwendig. Die bisher existierenden Air Service Agreements (bilaterale Luftverkehrsabkommen) sehen hingegen das Gegenteil vor, da Art. 24 des Chicagoer Abkommens einer Besteuerung entgegensteht. Dies dürfte auch einer Entscheidung der EU im Wege stehen. Die Überlegung ist zudem ein Zirkelschluss. Möchte die neue Regierung Carbon Leakage verhindern, wie vorgesehen ist, darf sie nicht die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Luftverkehrs gefährden.

Die pandemiebedingte Krise kauft der Branche bezüglich einer Erhöhung der deutschen Luftverkehrsteuer zwei Jahre (S. 54). Dies dürfte die gebeutelte Industrie aufatmen lassen, erscheint aber kurz gedacht. Die Einnahmen sollen für die Entwicklung klimaneutraler Treibstoffe und Modernisierung eingesetzt werden.

Bereits erwartet wurde die Ankündigung, dass der Bahnverkehr derart ausgebaut wird, dass Kurzstreckenflüge weiter unattraktiv werden, wie es bereits das Luftverkehrskonzept des BMVI von 2017 (dort S. 30) vorsieht. Die tatsächlichen Zahlen sagen etwas anderes: 53 Prozent der Passagierflüge von deutschen Flughäfen gingen noch 2020 über Strecken von weniger als 1000 Kilometer.[1]

4.    Imissionen

Fluglärm soll durch die Erhöhung lärmabhängiger Flughafenentgelte erhöht werden und so klimaneutraler Betrieb von Flughäfen gefördert werden. Das Thema „effektiver Lärmschutz“ soll in den Aufgabenbereich der Deutschen Flugsicherung fallen und eine Änderung des Fluglärmschutzgesetztes soll evaluiert werden (S. 54). Wer bei der angedachten Gesamtlärmbetrachtung von Straße, Schiene, Luft und Gewerbe den Kürzeren ziehen wird, lässt die doch sehr grüne Handschrift der geplanten Änderung der TA Lärm  vermuten (S. 93).

Auf EU-Ebene will man sich für die Umsetzung des Single European Sky einzusetzen.

Positiv für die Luftverkehrsbranche ist sicher, dass Detektionen und Abwehr von Drohnen hoheitliche Aufgabe bleiben soll (S. 54).

5.    Gleichbehandlung

Ideenlosigkeit zeigen die unter dem Punkt „Gleichstellung“ verankerten Versprechen der Automatisierung von Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen und die Änderung des AGB-Rechts im Bereich Passage. Eine Gleichbehandlung verschiedener Verkehrsträger ist nicht vorgesehen.

Der Einsatz für den Erhalt des bereits bestehenden hohen Niveaus an Verbraucherschutz hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung dürfte angesichts der begrabenen Neuregelung nicht notwendig sein.

6.    Rüstung

Schnell soll ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado gefunden werden. Ob das bestehenden German Service Life Enhancement Program (SLE) Teil für die noch existierenden Kampfjets bleiben soll oder die britische Future Offensive Air System Studie (FOAS) berücksichtigt wird, bleibt offen. Die bisherigen Alternativen sind der Eurofighter Thyphoon sowie die amerikanischen Äquivalente Boeing F/A-18F und EA-18.

Die Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen soll ermöglicht werden, mit Fokus auf eine Schutzfunktion (S. 149). Bewaffnete Drohnen sollen verstärkt für internationale Kontrollregime einbezogen werden, autonome Waffensysteme hingegen werden entschieden abgelehnt (S. 145).

[1] Meldung tagesschau vom 4. Juni 2021, hier abzurufen.

Autoren: Ulrich Steppler und Sarah Joanna Haas