12.07.2024

BGH: Anstehende Grundsatzentscheidung in Bezug auf Rückzahlung verlorener Online-Sportwetteinsätze

In den letzten Jahren sehen sich Anbieter von Online-Glücksspielen und Online-Sportwetten zunehmend einer Klageflut von (ehemaligen) Spielern ausgesetzt, welche die Rückzahlung verlorener Spiel- bzw. Wetteinsätze anstreben. Dem zu Grunde liegt, dass nach dem bis 2021 geltenden alten deutschen Glücksspielstaatsvertrag (GlüstV) es Anbietern von Online-Glücksspielen wie virtuellen Spielautomaten nicht möglich war, eine deutsche Konzession zu erhalten. Anbietern von Online-Sportwetten war dies nur unter bestimmten Auflagen möglich. Dennoch waren viele Anbieter, die unter der Konzession von EU-Mitgliedstaaten operieren, auf dem deutschen Markt präsent. Seitens der deutschen Aufsichtsbehörden erfolgten dahingehend keine nennenswerten Beanstandungen.

Die umstrittene und streitentscheidende Frage, ob die abgeschlossenen Glücksspiel- oder Wettverträge mangels einer deutschen Konzession nichtig sind und dies die Spieler zu einer Rückzahlung der verlorenen Einsätze berechtigt, oder ob dem gegebenenfalls die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit entgegensteht, hat mittlerweile die obersten deutschen und europäischen Gerichte erreicht. Während der BGH ein Verfahren zu Online-Glücksspielen im Januar dieses Jahres ausgesetzt hat, da dem EuGH in Rechtssache C-440/23 streitentscheidende Fragen zur Klärung durch ein maltesisches Gericht vorgelegt wurden (Beschluss vom 10. Januar 2024, Az. I ZR 53/23, wir berichteten), fand zu dem Komplex der Online-Sportwetten nun am 27. Juni 2024 erstmals eine mündliche Verhandlung vor dem BGH statt (Aktenzeichen I ZR 90/23).

Der Senat hat in einer ersten Einschätzung durchscheinen lassen, dass er dazu tendiert, die Wettverträge als nichtig zu erachten. Diese spielerfreundliche Rechtsauffassung wurde vom BGH im Bereich der Sportwetten zuvor bereits in einem Hinweisbeschluss im März dieses Jahrs vertreten (Beschluss vom 22.03.2024, Az. I-ZR 88/23).

Ob an dem für den 25. Juli 2024 anberaumten Verkündungstermin tatsächlich eine Entscheidung ergehen wird, die für Rechtssicherheit für Spieler und Anbieter sorgt, ist fraglich. So wäre hier eigentlich eine Vorlage an den EuGH angezeigt, um die streitentscheidenden Fragen der Vereinbarkeit der deutschen Regelungen des Glücksspielrechts mit unionsrechtlichen Vorschriften zu klären.

Sollte der BGH sich gegen eine solche Vorlage entscheiden, könnte hier aber möglicherweise das letzte Wort noch nicht gesprochen sein: So hat das LG Erfurt in einem Beschluss vom 08. Mai 2024 (Az. 8 O 391/23) inzwischen bereits die Absicht verkündet, ein ähnlich gelagertes Verfahren auszusetzen und die entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechtes im Bereich der Sportwetten dem EuGH selbst zur Klärung vorzulegen.

Dies erinnert an den sogenannten „Diesel Abgasskandal“. In diesem ebenfalls öffentlichkeitswirksamen Masseverfahrenskomplex hatten sich nahezu alle Instanzgerichte wie auch der BGH einer Vorlage entscheidungserheblicher Fragen an den EuGH verweigert. Erst nachdem das Landgericht Ravensburg eine Vorlage initiiert hatte und eine Entscheidung durch den EuGH erfolgte (vom 21.03.2023 C-100/21) änderten BGH und Instanzgerichte ihre vorherige Rechtsauffassung.

Es bleibt abzuwarten, ob sich eine derartige „Rechtsgeschichte“ auch im Bereich der Online-Sportwetten wiederholen wird.

Unsere Spezialisten, Thomas Hertl und Dr. Florian Eckert beraten gerne, auch in Bezug auf die Einbindung von legal tech in Bezug auf die ökonomische Abwicklung solcher Masseverfahren.