Der deutsche Gesetzgeber musste zwei EU-Richtlinien in deutsches Recht umsetzen, zum einen die Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenkaufs und zum anderen die Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Insbesondere durch letztere wird daher ein quasi neues umfangreiches Vertragsrecht für die Bereitstellung digitaler Produkte an Verbraucher in das BGB eingeführt.

Was ist unter einem digitalen Produkt zu verstehen?

Unter digitalen Produkten versteht das Gesetz zum einen digitale Inhalte, also Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Dies können z.B. Computerprogramme, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, elektronische Bücher und andere elektronische Publikationen oder Apps sein. Zum anderen fallen unter den Begriff auch digitale Dienstleistungen, also solche, die dem Verbraucher

  • die Erstellung, die Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen oder
  • die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladen oder erstellten Daten oder sonstigen Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen.

Solche digitalen Dienstleistungen können zum Beispiel das Anbieten von Software-as-a-Service sein oder auch das Anbieten von Video- oder Audioinhalten oder Textverarbeitung oder Spielen zur gemeinsame Nutzung, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden.

Die Begriffe sind jedoch bewusst weit gefasst, damit digitale Angebote unabhängig von ihrer konkreten technischen Ausgestaltung davon erfasst sind.

Was ist der Anwendungsbereich der neuen Vorschriften?

Die neuen Vorschriften finden immer dann Anwendung, wenn zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ein Vertrag über ein digitales Produkt geschlossen wird, für das der Verbraucher einen Preis zahlen muss. Als Zahlung eines Preises gilt neben Geld zum Beispiel auch die digitale Darstellung eines Wertes, wie ein E‑Coupon, oder die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher.  Durch letzteres nicht umfasst ist die Bereitstellung personenbezogener Daten, die der Unternehmer zur Erfüllung des Vertrages mit dem Verbraucher benötigt.

Die Anwendung der neuen Vorschriften erstreckt sich auch auf Verträge, bei denen das digitale Produkt nach Spezifikationen des Verbrauchers hergestellt wird und mit kleinen Einschränkungen auch auf Verträge, bei denen die Bereitstellung der digitalen Inhalte auf körperlichen Datenträgern erfolgt.

Es gibt gewisse Ausnahmen von der Anwendung, so fallen z.B. Verträge über Finanzdienstleistungen oder medizinische Behandlungsverträge nicht in den Anwendungsbereich.

In den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen aber auch sogenannte Paketverträge. Paketverträge in diesem Sinne sind Verbraucherverträge, bei denen neben der Bereitstellung digitaler Produkte auch die Bereitstellung anderer Sachen oder die Bereitstellung anderer Dienstleistungen erfolgt, so z. B. ein Videostreamingdienst, der gemeinsam mit dem Verkauf eines Elektronikproduktes angeboten wird. Weiter gelten die Vorschriften auch für Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit Ihnen verbunden sind. In beiden Fällen sind die Vorschriften im Allgemeinen aber nur auf diejenigen Bestandteile des Vertrages anzuwenden, die die digitalen Produkte betreffen.

Welche wichtigen Neuerungen bringen die Vorschriften?

Es werden spezielle Rechten und Pflichten für die Bereitstellung digitaler Produkte eingeführt, unter anderem Folgende:

Pflicht zur Aktualisierung 

Der Unternehmer muss sicherstellen, dass bei dauerhafter Bereitstellung eines digitalen Produkts dem Verbraucher über den gesamten Zeitraum Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind. In allen Fällen nicht dauerhafter Bereitstellung des digitalen Produktes müssen solche Aktualisierungen zumindest über einen Zeitraum bereitgestellt werden, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann. Des Weiteren muss der Verbraucher über die Aktualisierungen informiert werden.

Mängel

Es gilt ein neuer Mangelbegriff, nachdem das digitale Produkt nur frei von Produktmängeln ist, wenn es den „subjektiven“ und „objektiven“ Anforderungen und, soweit eine Integration durchzuführen ist, den „Anforderungen an die Integration“ entspricht. Integration meint dabei die Einbindung eines digitalen Produkts in die digitale Umgebung des Verbrauchers, also Hard‑, Software oder Netzverbindungen aller Art, sodass das digitale Produkt anforderungsgerecht genutzt werden kann.

Um den subjektiven Anforderungen zu genügen, muss das digitale Produkt

  • die im Vertrag vereinbarte Beschaffenheit haben, was die Kompatibilität und die Interoperabilität einschließt;
  • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen;
  • wie im Vertrag vereinbart mit Zubehör, Anleitungen und Kundendienst bereitgestellt werden und
  • es müssen die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden.

Um den objektiven Anforderungen zu genügen, muss das digitale Produkt

  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignen,
  • eine Beschaffenheit (einschließlich z.B. der Funktionalität, der Kompatibilität, und der Sicherheit) aufweisen, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und die der Verbraucher unter Berücksichtigung der Art des digitalen Produkts erwarten kann,
  • der Beschaffenheit einer Testversion oder Voranzeige entsprechen, sofern der Unternehmer dem Verbraucher eine solche vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat,
  • mit dem Zubehör und den Anleitungen bereitgestellt werden, deren Erhalt der Verbraucher erwarten kann,
  • soweit nicht anderweitig vereinbart, in der neusten verfügbaren Version bereitgestellt werden und

dem Verbraucher müssen die notwendigen Aktualisierungen bereitgestellt werden und er muss über diese Aktualisierungen informiert werden.

Den Anforderungen an die Integration entspricht das digitale Produkt, wenn

  • die Integration sachgemäß durchgeführt worden ist oder
  • sollte das nicht der Fall sein, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Integration durch den Unternehmer noch auf einem Mangel in der vom Unternehmer bereitgestellten Anleitung beruht.

Beweislastumkehr

Vorbehaltlich einiger Ausnahmen gilt eine Beweislastumkehr, wonach bei einem dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkt vermutet wird, dass das digitale Produkt einen Mangel hat, wenn sich ein solcher während der Dauer des Bereitstellungszeitraums zeigt. Bei anders als dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkten, also z.B. bei einer Einmalbereitstellung oder mehrere Einzelbereitstellungen, wird vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei Bereitstellung mangelhaft war, wenn das digitale Produkt innerhalb eines Jahres seit seiner Bereitstellung eine solche Abweichung zeigt.

Die Vermutung gilt nicht, wenn die digitale Umgebung des Verbrauchers mit den technischen Anforderungen des digitalen Produkts zur maßgeblichen Zeit nicht kompatibel war oder dem Unternehmer eine solche Feststellung nicht möglich ist, weil der Verbraucher eine hierfür notwendige und ihm mögliche Mitwirkungshandlung nicht vornimmt und der Unternehmer zur Feststellung ein technisches Mittel einsetzen wollte, das für den Verbraucher den geringsten Eingriff darstellt. Diese Ausnahme findet jedoch nur Anwendung, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsschluss klar und verständlich über die technischen Anforderungen an die digitale Umgebung und seine Mitwirkungshandlungen belehrt hat.

Änderung an digitalen Produkten 

Bei einer dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produktes darf der Unternehmer Änderungen des digitalen Produkts nur vornehmen, wenn

  • der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält,
  • dem Verbraucher hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen und
  • der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird.

Ausgenommen sind Änderungen, die zur Aufrechterhaltung des vertragsgemäßen Zustandes notwendig sind.

Werden durch die Änderungen die Zugriffsmöglichkeiten des Verbrauchers eingeschränkt oder die Nutzbarkeit beeinträchtigt, muss darüber hinaus innerhalb einer angemessenen Frist vor der Änderung mittels eines dauerhaften Datenträgers hierüber informiert wird.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Die neuen Regelungen sind zum einen auf alle Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung eines digitalen Produkts zum Gegenstand haben und ab dem 1. Januar 2022 abgeschlossen werden, anzuwenden.

Auf Verbraucherverträge, die vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossen werden und die Bereitstellung eines digitalen Produkts zum Gegenstand haben, sind die neuen Vorschriften anzuwenden, wenn die Bereitstellung des digitalen Produktes ab dem 01. Januar 2022 erfolgt. Hiervon ausgenommen ist die gesetzliche Regelung zur Änderung von digitalen Produkten, die erst greift, wenn der Vertrag zur Bereitstellung des digitalen Produktes ab dem 1. Januar 2022 abgeschlossen wurde.

Was müssen Unternehmen tun?

Unternehmen, die digitale Produkte an Verbraucher vertreiben, müssen diese und die Bereitstellung derselben an die neuen gesetzlichen Regelungen anpassen sowie die Verträge insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß den neuen gesetzlichen Vorgaben überarbeiten.

Aber auch Unternehmen, die digitale Produkte, welche zum Vertrieb an Verbraucher vorgesehen sind, an Unternehmer z.B. Händler oder Zwischenhändler vertreiben, sind von den neuen Regelungen betroffen.

So kann der Händler, welcher letztendlich das digitale Produkt an den Verbraucher vertreibt, diejenigen Aufwendungen, die ihm entstehen, weil der Verbraucher seine Rechte z.B. wegen eines Mangels, einer nicht rechtzeitigen Zurverfügungstellung oder der Verletzung der Aktualisierungspflicht geltend macht, von seinem Vertriebspartner verlangen, wenn die verspätete Zurverfügungstellung oder Verletzung der Aktualisierungspflicht durch diesen zu verantworten sind oder der Mangel bereits bei Übergabe an den Händler vorlag.  Diese Regelung ist entsprechend auf die übrigen Vertragspartner in der Vertriebskette anwendbar.

Demgemäß müssen auch Unternehmen, die digitale Produkte, die letztendlich zur Anwendung für den Verbraucher bestimmt sind, vertreiben, ihre digitalen Produkte und ihre Verträge an die neuen Regelungen anpassen.

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