Sachverhalt

Die Klägerin macht gegen die Beklagte lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in Bezug auf das Auftreten der Beklagten als Versicherungsmaklerin sowie hinsichtlich deren Behauptung, unabhängig und neutral zu sein, geltend.

Die beklagte Gesellschaft verfügt über eine Erlaubnis als Versicherungsmaklerin nach § 34 d Abs. 1 GewO. Ihre Anteile werden zu 100 % von der X‑Lebensversicherung gehalten. Im Rahmen ihrer Werbung weist die Beklagte auch auf diesen Umstand hin. Sie warb u.a. mit der Angabe „Unabhängigkeit und Neutralität – wir sind unseren Kunden verpflichtet und vertreten ausschließlich deren Interessen.“

Die Klägerin, die ebenfalls als Versicherungsmaklerin tätig ist, vertritt die Auffassung, dass die Beklagte nicht als Versicherungsmaklerin auftreten dürfe. Wegen ihrer Stellung als 100 %ige Tochter der X‑Lebensversicherung sei dies widersprüchlich und stelle einen institutionalisierten Interessenkonflikt dar. Angesichts dessen sei auch die Werbeangabe, unabhängig und neutral zu sein, irreführend.

Das LG Passau hat in erster Instanz der Unterlassungsklage stattgegeben.

Entscheidung

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, soweit sie sich gegen das vom LG ausgesprochene Verbot, als Versicherungsmaklerin aufzutreten, wendete. In Bezug auf die Werbung hatte die Berufung keinen Erfolg.

Das OLG München wies die Klage hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, es sei irreführend, dass die Beklagte als Versicherungsmakler auftritt, weil die Mehrheit ihrer Unternehmensanteile von einem Versicherer gehalten wird, ab. Da die Beklagte unstreitig über eine nach wie vor bestehende Gewerbeerlaubnis für die Tätigkeit als Versicherungsmakler verfügt, entspricht ein dementsprechender Außenauftritt den tatsächlichen Gegebenheiten, ist mithin nicht unwahr.

Aber auch sonst sei der Auftritt nicht irreführend. Auch eine gesetzlich zulässige und damit objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim angesprochenen Verkehr zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, sein geschäftliches Handeln zu beeinflussen. Eine Gewerbeerlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO als Makler hängt nach deutschem Recht nicht davon ab, ob und in welchem Umfang Beteiligungen von Versicherern an dem Unternehmen bestehen. Wollte man die Zulässigkeit des Auftritts eines Versicherungsmaklers gleichwohl davon abhängig machen, dass an diesem nicht mehr als 50 % der Anteile von einem Versicherer gehalten werden, käme dies einer vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehenen Marktzugangsvoraussetzung gleich, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Dies ergebe sich auch daraus, dass Versicherungsvermittler nach § 15 I 1 Nr. 11 VersVermV dem Versicherungsnehmer Beteiligungen von Versicherungsunternehmen von über 10 % mitteilen müssen.

Der Gesetzgeber gehe also davon aus, dass Versicherungsunternehmen an Versicherungsmaklern Beteiligungen halten, und sehe gleichwohl keine Notwendigkeit, diese der Höhe nach zu beschränken. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass § 59 Abs. 3 S. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vorsieht, dass jeder, der sich als Versicherungsmakler ausgibt, ohne einer zu sein, wie ein Makler haftet; der Gesetzgeber habe die Möglichkeit gesehen, dass sich ein “Pseudomakler” tatsächlich von den Interessen eines Versicherers leiten lassen könnte.

Die Werbung mit „unabhängig und neutral“ sei hingegen irreführend, weil sie dazu geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise über die Beteiligungsverhältnisse zu täuschen. Der angesprochene Verkehr versteht die hier angegriffene Aussage nicht nur dahingehend, dass die so werbende Beklagte unabhängig von etwaigen Beteiligungsverhältnissen agiere, sondern es tatsächlich auch ist. Dies trifft indes nicht zu. Es bestehe die potentielle Gefahr, dass sich die Beklagte nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch von denen ihrer Anteilseigner leiten lasse. Die Werbung eines Versicherungsmaklers, die über diese Abhängigkeit täusche, erhöhe seine Attraktivität.

Kommentar

Das Urteil überrascht. Nach deutschem Recht gibt es eine strikte Trennung zwischen Versicherungsmaklern und Versicherungsvertretern; Versicherungsvermittler müssen sich entscheiden, ob sie als Versicherungsmakler auf der Seite des Versicherungsnehmers oder als Versicherungsvertreter auf der Seite des Versicherers auftreten wollen. Sie können nicht als beides auftreten. Es ist daher überraschend, dass eine Maklerfirma zu 100% im Besitz eines Versicherers sein darf, da dies das Risiko birgt, dass der Makler vom Versicherer geleitet wird.

Interessanterweise sah das Oberlandesgericht diesen Konflikt in Bezug auf die Werbung, nicht aber in Bezug auf die Tätigkeit als Makler. Das Gericht hätte argumentieren können, dass der Gesetzgeber eine strikte Trennung zwischen Versicherungsmaklern und Versicherungsvertretern eingeführt hat (z.B. in § 59 VVG und § 34 d Abs. 1 GewO) und deshalb die Tätigkeit einer Maklergesellschaft, die zu 100% im Eigentum eines Versicherers steht, unzulässig ist. Darüber hinaus hat der BGH im Jahr 2016 entschieden (Urteil vom 14. Januar 2016, Az. I ZR 107/14), dass die Schadensregulierung durch einen Makler im Auftrag eines Versicherers wegen des potenziellen Interessenkonflikts unzulässig ist. Auch hier wurde die strikte Trennung der Interessen von Versicherern und Versicherungsnehmern betont.

Es gibt zumindest überzeugende Argumente dafür, dass der Versicherer zumindest keinen überwiegenden Anteil an der Maklerfirma besitzen darf. Das Gericht hat jedoch überzeugend entschieden, dass der Anspruch eines solchen Unternehmens, neutral und unabhängig zu sein, irreführend sein kann.

ILO — International Law Office

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache herausgegeben von und zuerst veröffentlicht auf www.internationallawoffice.com.

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