Hintergrund

Am 01.01.2023 ist in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) in Kraft getreten. Zielrichtung des LkSG ist die Verbesserung der internationalen Menschenrechtssituation. Erstmals werden verbindliche Vorgaben für eine verantwortungsvolle Gestaltung von Lieferketten durch Unternehmen festgelegt.

Ausgangspunkt für die nationale gesetzliche Regelung waren die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2011. In diesen waren als Grundprinzipien die

  • Verpflichtung der Staaten zum Schutz der Menschenrechte
  • Verantwortung von Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und die
  • unternehmerische Due Diligence zur Vermeidung von Verstößen und die Durchführung von Abhilfemaßnahmen

festgelegt. In Deutschland wurden diese Leitprinzipien durch einen nationalen Aktionsplan 2016-2020 (NAP) umgesetzt. Hierbei hat es sich aber lediglich um einen Aufruf zur Selbstverpflichtung gehandelt, welcher keine Sanktionen bei Nichtbeachtung beinhaltete. Nachdem im Jahr 2020 festgestellt wurde, dass nur ein Bruchteil der deutschen Unternehmen die dort festgelegten Standards erfüllt, wurde eine verpflichtende gesetzliche Regelung in Form des LkSG etabliert.

Geschützte Rechtspositionen

Das LkSG hat das Ziel, menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken vorzubeugen, diese zu minimieren bzw. zu beenden (§ 3 Abs. 1 LkSG). Definiert sind die betroffenen Rechtspositionen in Form von umfangreichen Verbotstatbeständen in § 2 Abs. 2 Nr. 1–11 LkSG, welche die Kernbereiche Schutz der Menschenrechte, Arbeitnehmerschutz und Umweltschutz umfassen. Der Schutz erstreckt sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 12 LkSG aber auch auf sonstige nicht konkret definierte Rechtspositionen, deren Schutzbedürftigkeit „bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist“.

Einhaltung der Sorgfaltspflichten

Nach § 3 Abs. 1 LkSG bestehen die Sorgfaltspflichten u.a. in der Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagements, der Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, der Verankerung von Präventionsmaßnahmen (auch bei unmittelbaren Zulieferern), der Dokumentation und in § 3 Abs. 1 Nr. 9 LkSG „die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern“.

Es handelt sich dabei um prozessorientierte Pflichten, welche die Unternehmen zur Entwicklung von effektiven und angemessenen Sorgfaltsmaßnahmen verpflichten. Eine Erfolgspflicht bzw. sogar Garantieverpflichtung sieht das LkSG nicht vor. Die Unternehmen müssen aber die objektiv erforderlichen Maßnahmen im Rahmen des konkret Umsetzbaren und Angemessenen ergreifen.

Behördliche Kontrolle

Die zur Überwachung zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Gemäß § 14 LkSG erfolgt durch das BAFA eine risikobasierte Kontrolle entweder auf Antrag oder von Amts wegen.

Die behördlichen Rechte nach dem LkSG stellen sich zusammengefasst wie folgt dar:

  • Prüf-und Anordnungsrecht bzgl. Jahresbericht (§ 13 LkSG)
  • Kontrollrecht bzgl. Einhaltung der Sorgfaltspflichten (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 LkSG)
  • Generalbefugnis zu geeigneten Anordnungen und Maßnahmen (§ 15 Abs. 1 LkSG)
  • Betretensrechte (Grundstücke, Geschäftsräume) (§ 16 Nr. 1 LkSG)
  • Einsichtsrechte in Unterlagen und Aufzeichnungen (§ 16 Nr. 2 LkSG)
  • Durchsuchung und Beschlagnahme als Ermittlungsmaßnahme (§ 46 OwiG)

Die kontrollierten Unternehmen haben die folgenden Verpflichtungen bzw. Rechte:

  • Auskunftspflicht (§ 17 Abs. 1 LkSG)
  • Auskunftsverweigerungsrecht bei drohender Selbstbelastung oder Belastung Angehöriger i.S.v. § 52 Abs. 1 StPO, § 17 Abs. 3 LkSG)
  • Herausgabepflicht (§ 17 Abs. 1 LkSG)
  • Duldungs-und Mitwirkungspflicht (§ 18 LkSG)

Sanktionen bei Verstößen

Bei Verstößen gegen die Regelungen des LkSG drohen unterschiedliche und durchaus erhebliche Sanktionen.

Nach § 23 LkSG kann zunächst ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 50.000,00 verhängt werden.

In § 24 Abs. 1 LkSG ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ordnungswidrigkeitstatbestände für verschiedene Arten von Verstößen dargestellt. Je nach Art und Bedeutung des konkreten Verstoßes sind dabei Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 800.000,00 bzw. bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresergebnisses möglich (§ 24 Abs. 2 LkSG)!

Darüber hinaus sollen gemäß § 22 LkSG solche Unternehmen, gegen welche ein Bußgeld von (grundsätzlich mit Ausnahmen) mindestens EUR 175.000,00 verhängt wird, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Des Weiteren kann ggf. ein Eintrag ins Wettbewerbsregister drohen.

Wen betrifft das LkSG?

Adressat des LkSG sind Unternehmen mit Verwaltungssitz, Hauptniederlassung, oder Zweigniederlassung in Deutschland. Das LkSG gilt ab 01. Januar 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 01. Januar 2024 auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeit­­­­nehmern im Inland.

Kleine und mittelständische Unternehmen unter diesen Schwellenwerten sind daher nicht direkt von den Regelungen des LkSG betroffen. In § 2 Abs. 5 LkSG ist aber festgelegt, dass die unmittelbar betroffenen Unternehmen auch für deren „unmittelbare und mittelbare Zulieferer“ verantwortlich sind. Das führt faktisch zu einer mittelbaren Einbeziehung aller Zulieferer.

Erweiterte Definition der „Lieferkette“

Unmittelbarer Zulieferer im Sinne des LkSG ist ein „Partner eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind“ (§ 2 Abs. 7 LkSG). Mittelbarer Zulieferer ist „jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind“.

Durch diese weite Auslegung sind unter anderem auch Transportdienstleister, Spediteure und andere Logistikdienstleister als wesentlicher Teil der Lieferketten zumindest mittelbar durch die Vorgaben aus dem LkSG betroffen.

Vertragliche Einbeziehung der Zulieferer / Logistikdienstleister

Aus den vorgenannten Gründen sind die jeweiligen unmittelbar betroffenen Auftraggeber faktisch gezwungen, die von ihnen beauftragten Logistikdienstleister ebenfalls zur Einhaltung der Anforderungen des LkSG (mit) zu verpflichten.

Dabei wird es aus der Perspektive der unmittelbar Verpflichteten nicht ausreichend sein, von deren Zulieferern eine einfache Erklärung zu erhalten, in welcher die Einhaltung der Vorgaben des LkSG mehr oder weniger pauschal zugesagt wird, so wie dies in der Praxis aktuell zu beobachten ist. Das Anforderungsniveau unterscheidet sich dabei z.B. von der Situation bei der Umsetzung der Anforderungen des Mindestlohngesetzes. Branchenübliche Compliance-Regelungen (wie z.B. in der deutschen ADSp 2017) können durchaus als Ausgangsbasis verwendet werden, greifen in Bezug auf die spezifischen Anforderungen des LkSG aber grundsätzlich zu kurz.

Vielmehr wird es zu einer geeigneten Absicherung der unmittelbar Verpflichteten erforderlich sein, die Zulieferer konkret zur Einrichtung von Risikomanagementsystemen, zu Auditrechten, zu Mitarbeiterschulungen usw. zu verpflichten, verbunden mit geeigneten Sanktionsmechanismen (Sonderkündigungsrechte/Schadensersatz- und Freistellungsregelungen). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Umsetzung für die betroffenen Logistikdienstleister eine erhebliche Herausforderung darstellen wird.

Die Form der vertraglichen Umsetzung hängt von der konkreten Situation in der Praxis ab. In der Regel werden bei bestehenden Verträgen Zusatzvereinbarungen geeignet sein, bei Neuverträgen ergänzende Klauseln.

Diesen Artikel finden Sie englischer Sprache im CHEManager International 1/2023 unter folgendem Link:

https://www.chemanager-online.com/en/news/supply-chain-due-diligence-act

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