Worum geht es?

Die Verordnung (EU) 2022/2065 vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste („Gesetz für digitale Dienste“ auch bekannt als „Digital Services Act“), die am 17. Februar 2024 vollständig in Kraft tritt, bringt einen bunten Strauß an neuen Verpflichtungen für Anbieter von Vermittlungsdiensten im Online-Bereich.

Einen Unterfall der Online-Vermittlungsdienste bilden nach der Verordnung die sogenannten Hosting-Dienste. Diese sind definiert als Dienste, die darin bestehen von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern. Die Definition ist damit weit gefasst, sodass sehr viele Unternehmen in diesem Bereich unter das neue Gesetz fallen können.

Eine Untergruppe der Hosting-Dienste sind Online-Plattformen. Online-Plattformen sind nach dem Gesetz Unternehmen, die im Auftrag eines Nutzers Informationen speichern und öffentlich verbreiten, es sei denn diese Tätigkeit stellt nur eine unbedeutende und reine Nebenfunktion eines anderen Dienstes dar oder ist eine unbedeutende Funktion des Hauptdienstes, die aus objektiven und technischen Gründen nicht ohne diesen anderen Dienst genutzt werden kann. Typische Online-Plattformen sind daher sogenannte Online-Marktplätze, die ihren Nutzern ermöglichen, über diesen Marktplatz untereinander Verträge abzuschließen, und soziale Netzwerke. Unter Umständen könnten aber auch bereits ganz normale Webshops unter die Definition fallen, je nachdem welche Funktionen Sie ihren Nutzern anbieten. Bieten Sie den Käufern z.B. Bewertungsfunktionen an, die dann veröffentlicht werden, könnte dies ggf. genügen, um als Online-Plattform zu gelten.

Auf solche Hosting-Dienste und Online-Plattformen kommen eine ganze Reihe neuer Verpflichtungen zu. Unter anderem gibt es neue Regelungen zum Umgang mit rechtswidrigen Inhalten, die von Nutzern zur Verfügung gestellt werden, oder Inhalten, die gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Hosting-Dienstes bzw. der Online-Plattform verstoßen.

Pflicht zur Einrichtung eines Melde- und Abhilfeverfahrens

Alle Hostingdiensteanbieter (einschließlich der Online-Plattformen) müssen ein Verfahren einrichten, nach dem rechtswidrige Inhalte gemeldet werden können. Dieses Verfahren muss leicht zugänglich und benutzerfreundlich sein und eine Übermittlung von Meldungen ausschließlich auf elektronischem Weg ermöglichen. Insbesondere muss das Verfahren Elemente enthalten, die es dem Meldenden ermöglichen

  • eine hinreichend begründete Erläuterung abzugeben, warum er die fraglichen Informationen als rechtswidrige Inhalte ansieht;
  • den Speicherort der fraglichen Informationen eindeutig anzugeben, wie etwa die präzise URL-Adresse;
  • seinen Namen bzw. seine E-Mail-Adresse anzugeben, es sei denn, es handelt sich bei der Meldung um Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch, sexueller Ausbeutung, Kinderpornographie oder Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuellen Zwecke;
  • eine Erklärung darüber abzugeben, dass der Meldende in gutem Glauben davon überzeugt ist, dass die in der Meldung enthaltenen Angaben und Ausführungen richtig und vollständig sind.

Solche Meldungen müssen zeitnah bearbeitet und eine objektive Entscheidung getroffen werden, die der betreffenden Person oder Einrichtung gegen deren Inhalt sich die Meldung richtet, unverzüglich mitgeteilt werden muss. Werden zur Bearbeitung oder Entscheidungsfindung automatisierte Verfahren eingesetzt, muss auch dies mitgeteilt werden.

Online-Plattformen müssen darüber hinaus technische und organisatorische Maßnahmen treffen, damit sogenannte vertrauenswürdige Hinweisgeber vorrangig behandelt werden. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sind solche, die auf Antrag von der zuständigen Behörde ernannt werden, wenn sie die dafür erforderlichen Bedingungen erfüllen.

Internes Beschwerdemanagementsystem

Darüber hinaus müssen Online-Plattformen ein internes Beschwerdemanagementsystem vorhalten, das Nutzern eine elektronische und kostenlose Einreichung von Beschwerden ermöglicht, wenn eine Online-Plattform mit der Begründung, der Inhalt einer vom Nutzer bereitgestellten Information sei rechtswidrig oder verstoße gegen ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen, bestimmte gegen den Nutzer gerichtete Entscheidungen trifft, wie zum Beispiel den Dienst gegenüber dem Nutzer ganz oder teilweise auszusetzen oder das Nutzerkonto zu sperren.

Das interne Beschwerdemanagementsystem muss für den Nutzer während eines Zeitraumes von 6 Monaten für Beschwerden nutzbar sein. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Online-Plattform ihm ihre Entscheidung über eine solche Handlung mitteilt.

Die Beschwerden müssen durch die Online-Plattform zeitnah, diskriminierungsfrei, sorgfältig und frei von Willkür bearbeitet und das Ergebnis dieser Bearbeitung dem betroffenen Nutzer unverzüglich mitgeteilt werden.

Begründung

Treffen Hostingdiensteanbieter (einschließlich Online-Plattformen) bestimmte im Gesetz aufgelistete Entscheidungen zu Ungunsten des Nutzers, wie beispielsweise die Aussetzung oder Beendigung des Dienstes oder damit verbundener Geldzahlungen, weil nach ihrer Auffassung die vom Nutzer eingestellten Inhalte rechtswidrig sind oder gegen ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen, müssen sie diese Entscheidung mit einer klaren und spezifischen Begründung versehen. Hier sieht das Gesetz spezifische Pflichtangaben vor, wie z.B.

  • die Angabe der Tatsachen und Umstände, die zu der Entscheidung führen;
  • bei rechtswidrigen Inhalten, die Angabe einer Rechtsgrundalge und Erläuterungen, warum der Inhalt als rechtswidrig angesehen wird;
  • bei Verstößen gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen, einen Hinweis auf die betreffende Bestimmung sowie eine Erläuterung, warum ein Verstoß vorliegt und
  • klare und benutzerfreundliche Informationen darüber, welche Rechtsbehelfe der Nutzer gegen die Entscheidung hat. 

Außergerichtliche Streitbeilegung

Online-Plattformen müssen sicherstellen, dass Nutzer, die von Entscheidungen betroffen sind gegen die sie Beschwerde über das interne Beschwerdesystem einlegen können, zudem eine zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle zur Beilegung der Streitigkeit wählen können. Zertifizierte Beilegungsstellen benötigen eine Zulassung von der zuständigen Behörde.

Online-Plattformen müssen die Nutzer in klarer und benutzerfreundlicher Weise hinsichtlich des Zugangs zu einer solchen außergerichtlichen Streitbeilegung informieren. Die Information muss leicht zugänglich sein.

Maßnahmen und Schutz vor missbräuchlicher Nutzung

Für Online-Plattformen besteht weiter die Verpflichtung, Nutzer, die häufig und offensichtlich rechtswidrige Inhalte bereitstellen, nach vorheriger Warnung für einen angemessenen Zeitraum zu sperren. Ähnliches gilt für Beschwerdeführer, die häufig offensichtlich unbegründete Meldungen oder Beschwerden einreichen. Auch hier muss die Bearbeitung solcher Meldungen oder Beschwerden nach vorheriger Warnung für einen angemessenen Zeitraum ausgesetzt werden.

Die Entscheidung über eine solche Sperrung oder Aussetzung muss von Fall zu Fall zeitnah, sorgfältig und in objektiver Weise getroffen werden, wobei das Gesetz einen Mindestumfang an Umständen festlegt, die dabei zu berücksichtigen sind. Dies sind beispielsweise

  • die absolute Anzahl der offensichtlich rechtswidrigen Inhalte oder der offensichtlich unbegründeten Meldungen oder Beschwerden, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums bereitgestellt bzw. eingereicht wurden und
  • die Schwere der Fälle der missbräuchlichen Verwendung, einschließlich der Art der rechtswidrigen Inhalte und deren Folgen.

Online-Plattformen müssen in ihren Geschäftsbedingungen klare und ausführliche Regeln für den Umgang mit solchen missbräuchlichen Verwendungen darlegen.

Information über rechtswidrige Produkte und Dienstleistungen

Online-Plattformen, die Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Unternehmen ermöglichen, müssen außerdem, wenn sie Kenntnis haben, dass ein rechtswidriges Produkt oder eine rechtswidrige Dienstleistung von einem Unternehmer über die Online-Plattform Verbrauchern in der EU angeboten wurde, die Verbraucher, die das rechtswidrige Produkt oder die rechtswidrige Dienstleistung erworben haben, darüber benachrichtigen, dass das Produkt oder die Dienstleistung rechtswidrig ist. Des Weiteren müssen die betroffenen Verbraucher über die Identität des Unternehmers und die ihnen zustehenden einschlägigen Rechtsbehelfe informiert werden. Die Benachrichtigungspflicht gilt nur, sofern die Online-Plattform über die Kontaktdaten der entsprechenden Verbraucher verfügt.

Sehr große Online-Plattformen

Noch weitergehende Verpflichtungen gibt es für sehr große Online-Plattformen. Das sind solche, die eine durchschnittliche monatliche Zahl von mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern in der EU haben und von der EU Kommission als solche benannt sind. Diese müssen zum Beispiel auch Risikobewertungen in Bezug auf die Verbreitung rechtswidriger Inhalte vornehmen und Risikominderungsmaßnahmen treffen.

Ausnahmen für Kleinst- und Kleinunternehmen

Die Regelungen zum internen Beschwerdemanagementsystem, zur außergerichtlichen Streitbeilegung, zu den vertrauenswürdigen Hinweisgebern, zu den Maßnahmen vor missbräuchlicher Verwendung und zur Information über rechtswidrige Produkte und Dienstleistungen gelten nicht für Online-Plattformen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von unter EUR 10 Mio. haben.

Was sollten Unternehmen tun? 

Zunächst sollten Unternehmen, die digitale Dienste anbieten, sorgfältig untersuchen, ob ihre Dienste unter das neue Gesetz fallen. Sollte dies der Fall sein, muss sorgfältig geprüft werden, ob der angebotene Dienst die Kriterien eines Hosting-Dienstes oder darüber hinaus einer Online-Plattform nach dem Gesetz für digitale Dienste erfüllt. Ist dies der Fall, sollten die gesetzlichen Vorgaben im Umgang mit rechtswidrigen Inhalten oder Inhalten, die gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens verstoßen, in jedem Falle umgesetzt werden, denn bei Verstoß drohen Bußgelder, die je nach Verstoß bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs betragen können. Zudem können betroffene Nutzer Schadensersatz für etwaige Schäden und Verluste geltend machen, die ihnen aufgrund eines Verstoßes gegen die Verpflichtungen entstehen.

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