Der Europäische Gerichtshof hat am 28. Oktober 2020 in der Rechtssache C-321/19 entschieden, dass die Berechnung der deutschen Maut zumindest teilweise gegen Europarecht verstößt. Konkret hat der EuGH in diesem Urteil festgestellt, dass bei der Berechnung der Maut-Höhe unter anderem auch Kosten für die Verkehrspolizei miteinberechnet worden sind, was das Gericht als unzulässig bewertet hat. Tatsächlich hätten nur die tatsächlichen Kosten für den Betrieb der Infrastruktur mitberücksichtigt werden dürfen. Geklagt hatte ein polnisches Speditionsunternehmen.

Anpassung der Mautsätze nur für die Zukunft

Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich auf das Urteil des EuGH reagiert und die Mautsätze für den Zeitraum ab der Veröffentlichung des EuGH Urteils bis zum 30.09.2021 nachträglich angepasst. Anträge auf Erstattung für diesen Zeitraum können über ein Online-Portal gestellt werden. Gerne unterstützen wir Sie hierbei, falls Sie noch keinen eigenen Antrag gestellt haben sollten.

Keine abschließende Regelung für die Vergangenheit

Offen ist jedoch weiterhin, was mit Mautzahlungen aus den Jahren 2012 – 2020 (bis vor der Verkündung des EuGH Urteils) geschieht.

Eine abschließende gerichtliche Entscheidung auf nationaler deutscher Ebene steht aktuell weiterhin aus. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 30. November 2021 (9 A 118/16, I. Instanz: Verwaltungsgericht (VG) Köln: 14 K 7974/13) dem EuGH folgend entschieden, dass die Erhebung der Lkw-Maut in den Jahren 2010 und 2011 teilweise unionrechtswidrig gewesen ist. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland wurde in diesem als „Musterprozess“ bezeichneten Verfahren zu einer teilweisen Rückerstattung von gezahlten Mautgebühren nebst Zinsen an die Kläger verpflichtet.

Fehlende Übertragbarkeit auf die Folgejahre?

Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) lehnt eine Übertragung dieser Entscheidung auf spätere Jahre jedoch ab. Da den Mautberechnungen in den Folgejahren neue Wegekostengutachten zu Grunde gelegen hätten, scheide eine vollständige Übertragbarkeit der Entscheidungen des EuGH sowie des OVG Münster angeblich aus. Mit dieser Argumentation lehnt das BAG die Erstattung von Mautzahlungen aus den Folgejahren ab.

Praxishinweis

Gleichwohl empfehlen wir Ihnen – soweit noch nicht geschehen – einen Antrag auf Erstattung für geleistete Mautzahlungen aus dem unverjährten Zeitraum zu stellen. Es laufen nämlich bereits neue Musterverfahren beim VG Köln.

Soweit die Entscheidung des EuGH auch für die nachfolgenden Wegekostengutachten bestätigt wird, hätte grundsätzlich jeder Transportdienstleister, welcher Mautabgaben gezahlt hat, und fristgerecht einen Antrag auf Erstattung gestellt hat, dann einen Anspruch auf Rückerstattung der überhöhten Mautbeträge. Wie hoch dieser Erstattungsanspruch konkret sein würde, lässt sich aktuell nur schätzen. Die vom Bund zu Unrecht mit einkalkulierten Kosten der Verkehrspolizei dürften in unterschiedlicher Höhe in die Mautsätze für die verschiedenen Fahrzeugkategorien und Straßenarten eingeflossen sein. Vorsichtigen Schätzungen nach sind die Mautsätze bis zu 19% überhöht gewesen!

Hinweis drohender Fristablauf

Eilig ist diese Thematik im Hinblick darauf, dass zum Jahresende 2022 eine Verjährung von Erstattungsansprüchen dem BAG gegenüber für das Jahr 2019 droht. Es kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass betroffene Dienstleister automatische eine Erstattung vom BAG erhalten werden. Nur wer einen Antrag stellt kann auf eine Erstattung hoffen.

Falls sich diese Problematik bei Ihnen stellen sollte und Sie ein Interesse an der Sicherung und Durchsetzung von gegebenenfalls bestehenden Ansprüchen haben, stehen wir Ihnen gerne für eine Beratung und Unterstützung zur Verfügung. Melden Sie sich gerne, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

Mit der Welt teilen