Nach Auffassung des OLG Bremen können Waren, wenn es von den Vertragsparteien vereinbart wird, durch das Abstellen des Containers vor dem Betriebsgelände des Empfängers außerhalb der Geschäftszeiten abgeliefert werden. In solchen Fällen haftet der Frachtführer nicht, wenn die Ladung später gestohlen wird.

Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer des Klägers beauftragte den Beklagten, einen Container mit 61 Ballen Schafwolle (Wert ca. 260.000,00 USD) vom Containerterminal in Bremerhaven abzuholen und zu seiner Niederlassung in Bremen zu transportieren. Der Fahrer übernahm den Container und parkte den Auflieger mit dem Container am Abend des gleichen Tages vor dem Betriebsgelände des Versicherungsnehmers; er warf die Frachtdokumente in den Briefkasten des Versicherungsnehmers ein. In der Nacht stahlen Unbekannte Container und Auflieger.

Nach der Abtretung der Rechte des Versicherungsnehmers an den Versicherer hat dieser den beklagten Frachtführer in Regress genommen.

Seit 20 Jahren hatten der Versicherte des Klägers und der Beklagte eine Vereinbarung getroffen, wonach:

  • Container, die außerhalb der Geschäftszeiten angeliefert werden, auf einem Sattelauflieger vor dem Gebäude abgestellt werden müssen und
  • die Fracht- und Zollpapiere für den Container in den Briefkasten des Versicherungsnehmers eingeworfen werden können.

Die Parteien stritten darüber, ob das beschriebene Verfahren im Zeitpunkt des Diebstahls noch in dieser Weise praktiziert wurde.

In erster Instanz wurde der Klage stattgegeben.

Entscheidung

Das OLG Bremen wies die Klage dagegen ab. Nach Auffassung des Gerichts war derBeklagte nicht haftbar für den Verlust der Güter, da dieser nach Ablieferung an den Versicherungsnehmer des Klägers (d.h. durch Parken des Containers vor dem Betriebsgelände) gestohlen wurde.

Nach deutschem Recht werden Waren “abgeliefert”, wenn der Frachtführer den Gewahrsam an dem Gut aufgibt und es dem Empfänger mit desen Willen und  Zustimmung ermöglicht, tatsächlichen Gewahrsam darüber auszuüben. Der Empfänger muss die Güter nicht bereits physisch in Besitz genommen haben; die Güter müssen lediglich so zur Verfügung gestellt werden, dass die Inbesitznahme ohne weitere Hindernisse möglich ist.

Das OLG Bremen hat entschieden, dass Ablieferungen am unbeaufsichtigten Lager des Empfängers außerhalb der Geschäftszeiten erfolgen kann, indem der Container vor dem Gelände geparkt wird. Dies bedarf jedoch der Zustimmung des Empfängers dazu, dass der Container vor dem Lagerhaus abgestellt wird.

Im vorliegenden Fall durfte der Beklagte zu Recht davon ausgehen, dass der Container vor dem Betriebsgelände des Versicherungsnehmers abgestellt werden darf, da keine gegenteilige Mitteilung des Versicherungsnehmers vorlag.

Kommentar

Parteien mit einer langjährigen Geschäftsbeziehung vefügen selten über vollständige und klare Vereinbarungen über ihre Rechte und Pflichten aus dem Beförderungsvertrag. Darüber hinaus kann es schwierig sein, wenn Beförderungen unregelmäßig und über viele Jahre hinweg erfolgen, die Anwendbarkeit und den Inhalt dieser Vereinbarungen (z.B. Auflagen zum Transportauftrag) zu bestimmen.

Diese Entscheidung ist eine nützliche Erinnerung daran, dass die Parteien eines Beförderungsvertrages eindeutige Vereinbarungen über die Ablieferung treffen müssen. Da die deutschen Gerichte den Begriff “Ablieferung” im Rahmen des Vertrages über die internationale Beförderung von Gütern auf der Straße (CMR) und des nationalen Transportrechts ähnlich auslegen, dürfte diese Entscheidung in Fällen, in denen es um CMR-Ansprüche geht, ebenfalls weitere Aufmerksamkeit erhalten.

ILO — International Law Office, 10.7.2019

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache herausgegeben von und zuerst veröffentlicht auf www.internationallawoffice.com.

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