19.12.2022

EuGH erklärt EU-Geldwäscherichtlinie für teilweise ungültig

Transparenz vs. Schutz der Privatsphäre sowie personenbezogener Daten: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Bestimmung der Geldwäscherichtlinie, wonach die uneingeschränkte Einsichtnahme in das Transparenzregister stets zu gewährleisten ist, einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) darstellt und daher ungültig ist. 

Gesellschaften mit Sitz in Deutschland sind grundsätzlich verpflichtet, ihre (fiktiv) wirtschaftlich Berechtigten gegenüber dem Transparenzregister offenzulegen und nachfolgende Angaben betreffend die (fiktiv) wirtschaftlich Berechtigten zu machen:

  • Vor- und Nachname,
  • Geburtsdatum,
  • Wohnort,
  • Staatsangehörigkeit und
  • Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses.

 

Das Transparenzregister ist ein öffentliches Register, d.h. jede/jeder kann Einsicht in das Transparenzregister nehmen und hat damit Zugang zu vorstehenden Informationen (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Geldwäschegesetz – „GwG“). Einzige Ausnahme sind das Geburtsdatum und der Wohnort, die nicht öffentlich zugänglich sind. Die Einsichtnahme ist (bislang) an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft.

Entscheidung des EuGH

Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hat nun jedoch entschieden, dass die Bestimmung der Geldwäscherichtlinie, wonach der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen sichergestellt sein muss, ungültig ist (Urteil vom 22.11.2022, Rechtssachen C-37/20 | Luxembourg Business Registers und C-601/20 | Sovim). Der EuGH ist der Ansicht, dass der uneingeschränkte Zugang zu den Angaben über die wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union („GRCh“) garantierten Rechte verletze.

Dem Urteil des EuGHs lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Gemäß der Geldwäscherichtlinie wurde in Luxemburg ein Registre des Bénéficiaires Effectifs (Register der wirtschaftlichen Eigentümer) eingerichtet. In dieses Register wurden eine Reihe von Informationen über wirtschaftliche Eigentümer aufgenommen und gespeichert. Ein Teil dieser Informationen ist der Öffentlichkeit zugänglich. Eine luxemburgische Gesellschaft und deren wirtschaftlicher Eigentümer hatten darauf geklagt, den Zugang der Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken.

Mit seinem Urteil stellte der EuGH die Ungültigkeit derjenigen Reglungen der Geldwäscherichtlinie fest, nach der die Öffentlichkeit in allen Fällen Zugang zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften habe. Der uneingeschränkte Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über wirtschaftliche Eigentümer stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) dar. Die Regelung der Geldwäscherichtlinie würde es ermöglichen, dass sich eine potenziell unbegrenzte Zahl von Personen über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers informieren könne. Die Folgen einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung der personenbezogenen Daten würden dadurch verschärft, dass diese Daten, sobald sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden könnten.

Nach Auffassung des EuGHs verfolge der Gesetzgeber mit der Geldwäscherichtlinie zwar ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel (Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung), weshalb grundsätzlich auch ein schwerwiegender Eingriff in die in Art. 7 und 8 GRCh verankerten Grundrechte gerechtfertigt sein könne. Die Zurverfügungstellung der Informationen sei grundsätzlich auch geeignet dieses Ziel zu erreichen. Allerdings – und dies ist entscheidend – sei der mit dem uneingeschränkten Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Informationen verbundene Eingriff weder auf das absolut Erforderliche beschränkt noch stehe er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel. So waren die Informationen nach der Vorgängerregelung der Geldwäscherichtlinie nur bestimmten Behörden/Einrichtungen oder Personen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten, zugänglich. Schwierigkeiten bei der Frage, ob ein solches „berechtigtes Interesse“ besteht, könnten nach der Auffassung des EuGHs nicht rechtfertigen, dass nun alle Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu den fraglichen Informationen erhalten. Der Umstand, dass der Zugang zu den Informationen von einer Online Registrierung abhängig ist und der Zugang bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen eingeschränkt werden könne, sei kein ausreichender Beleg dafür, dass eine ausgewogene Gewichtung zwischen dem verfolgten Ziel und der in den Art. 7 und Art. 8 GRCh verankerten Grundrechte vorgenommen wurde. Auch sei nicht dargelegt, dass hinreichende Garantien für einen wirksamen Schutz von personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken existieren.

Einordnung des Urteils

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind an die Entscheidungen des EuGHs grundsätzlich gebunden. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten, also auch Deutschland, Vorschriften, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, nicht anwenden dürfen. Aktuell informiert auch das Transparenzregister auf seiner Internetseite darüber, dass Anträgen der Mitglieder der Öffentlichkeit auf Einsichtnahme in das Transparenzregister aufgrund des Urteils des EuGHs bis auf Weiteres nicht stattgegeben wird.

Die Mitgliedsstaaten sind jedoch auch verpflichtet, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Unionsrechts zu sichern. Es bleibt daher abzuwarten, wie der Gesetzgeber die Einsichtnahme künftig regeln wird. Denkbar wäre es, dass die Einsichtnahme in das Transparenzregister (wieder) an ein berechtigtes Interesse gekoppelt wird (dies entspricht bisherigen Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG a.F.).

In diesem Zusammenhang möchten wir auch darauf hinweisen, dass bereits nach der jetzigen Rechtslage die Möglichkeit besteht, einen Antrag auf Beschränkung der Einsichtnahme in das Transparenzregister zu stellen. Einsicht können dann nur noch bestimmte Behörden und Verpflichtete nach dem GwG nehmen. Voraussetzung für eine solche Beschränkung ist, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des wirtschaftlich Berechtigten der Einsichtnahme entgegenstehen, z.B. wenn die Gefahr besteht, dass der wirtschaftlich Berechtigte im Falle einer uneingeschränkten Einsichtnahme Opfer bestimmter Straftaten wird.

Es sei zudem darauf hingewiesen, dass, unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Einsichtnahme in das Transparenzregister, eintragungspflichtige Gesellschaften auch weiterhin verpflichtet sind, ihre (fiktiv) wirtschaftlich Berechtigten gegenüber dem Transparenzregister offenzulegen und die diesbezüglichen Angaben zu machen.

Das ASD|CORPRATE. M&A Team steht Ihnen insoweit gerne beratend zur Seite.

Autorin: Ann-Kathrin Reißler