12.09.2022

ESG – Richtig umgesetzt: ein Appell an die Kreativität

Insbesondere für die Praxis stellt sich die bedeutsame Frage, wie ESG ganzheitlich umgesetzt werden kann. Hier kommt es maßgeblich darauf an, für den notwendigen, ganzheitlichen ESG-Transformationsprozess zu sensibilisieren und die (Erfolgs-)Chancen für das Unternehmen aufzuzeigen.

In erster Linie ist die eigene Überzeugung, einen Beitrag sowohl für die Umwelt als auch für die Gesellschaft zu leisten, mitentscheidend für eine ESG-konforme Ausrichtung einer jeden Unternehmensstrategie. Im Idealfall findet sich diese Eigenmotivation bereits in den Leitungs- und Entscheidungsebenen der Unternehmen.

Die Aufgabe besteht nun darin, die Dimensionen einer ESG- Transformation insgesamt zu verstehen, aufzunehmen und in das Unternehmen zu transportieren. Für ein ganzheitlich nachhaltiges Handeln müssen die einzelnen Aspekte der ESG – Dimensionen eine gleichberechtigte Berücksichtigung in der Unternehmensstrategie finden. Auch wenn derzeit klimarelevante Maßnahmen so dringlich sind wie noch nie, so darf die Berücksichtigung und Verfolgung von Zielen aus den Bereichen S und G, wie bspw. Diversität, Mitarbeiterzufriedenheit, Compliance und Transparenz darunter nicht leiden, sich jedenfalls mindestens nicht verschlechtern. Diese Aspekte haben im Dreiklang von E, S und G letztlich den gleichen Stellenwert.

Es reicht also bei weitem nicht aus, sich auf Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz zu konzentrieren und einzig den unternehmens-, dienstleistungs- und/oder produktbezogenen Co2 Fußabdruck zu erfassen und „auszugleichen“. Wir dürfen an dieser Stelle daran erinnern, dass ein Ausgleich nicht verhindert, dass Co2 produziert und emittiert wird, es aber letztlich darum geht Co2 – Emissionen von vornherein zu vermeiden.

Der gleichwertige Stellenwert der 3 ESG Dimensionen zeigt sich bei zukunftsorientierten Unternehmen u. a. darin, dass mittlerweile Corporate Social Responsibility-Abteilungen (auch CSR- Stabstellen) errichtet oder ausgebaut werden. Das ist angesichts der Komplexität der ESG-Transformation auch nötig, da dieser Prozess nicht von einer bereits bestehenden Stelle „mal eben“ mit übernommen werden kann. Die ESG-Transformation ist nicht nur „ein Job“, es ist eine Unternehmensaufgabe, die in Zukunft immer mehr über das Wohl und Wehe eines Unternehmens entscheiden wird.

Eine der, wenn nicht die erste Aufgabe ist es dann, überhaupt erst einmal eine individuelle unternehmenseigene Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Das ist das Fundament für den ESG-Transformationsprozess. Das wird mit der Übernahme fremder Strategien nicht gelingen, da es dann bereits am konkreten Unternehmensbezug fehlt, so dass allein deshalb bereits die Strategie alles andere als ESG-tauglich ist.

Eine der Voraussetzungen für die Etablierung und Umsetzung einer realitätsnahen und somit individuellen Strategie mit konkreten und nachvollziehbaren Fortschritten ist u. a. das Sammeln und Auswerten von relevanten Daten.  Hierzu zählen neben den Verbräuchen von Ressourcen bspw. auch Daten über die geschlechtergerechte Besetzung der Führungsebenen oder die Fluktuationsrate des Unternehmens und Vieles mehr. Aus dieser Bestandsanalyse ergeben sich zwei wesentliche Dinge: Einerseits lässt sich damit bereits dokumentieren, „wieviel“ ESG bereits im Unternehmen angelegt ist und gelebt wird. Andererseits lässt sich aus der Bestandsanalyse getrennt nach den Bereichen E, S und G Verbesserungspotential herauslesen.

Selbstverständlich handelt dabei um einen dauerhaften und dynamischen Prozess. Die gesammelten Daten und Maßnahmen müssen im weiteren Verlauf gepflegt, fortgeschrieben und analysiert werden, um in der Folgezeit immer wieder nachjustieren, „optimieren“ zu können.

Die eigene ESG-Strategie formuliert dann Nachhaltigkeitsziele, die auf dieser Bestandsanalyse aufbauen und damit von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein können. So müssen sich Ziele – wie bspw. die CO2- Neutralität bis 2030 des Unternehmensstandortes, die Schaffung von mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeitende oder sogar die Festlegung eines prozentualen Anteils des Unternehmensumsatzes für soziale Aspekte – einreihen. Auf diese Art und Weise kann sichergestellt werden, dass die E, S und G Belange möglichst gleichberechtigt in allen Bereichen gefördert werden, jedenfalls aber kein Belang durch Maßnahmen aus dem anderen Bereich beeinträchtigt wird.

Nur allein die Verringerung des internen Co2- Abdrucks bspw. durch:

  • Reduzierung von Flugreisen durch das Aufzeigen von Alternativen,
  • Umstellung des Fuhrparks auf E- Mobilität,
  • oder die Einsparung von Ressourcen in den Unternehmensräumen veranlasst durch ein internes Energiemanagement

 

reicht vor diesem Hintergrund also nicht aus und ist eher Ausdruck davon, dass es an einer grundlegenden individuellen ESG-Strategie fehlt. Gleichberechtigt neben diesen typischen „E-Maßnahmen“ gehören daher zur unternehmenseigenen ESG- Strategie natürlich auch Maßnahmen wie bspw.:

  • die Integration von Anti- Diskriminierungs- Programmen,
  • die Förderung von mehr Diversität im Unternehmen,
  • Equal Pay
  • und regelmäßige Schulungen zu Themen wie Arbeitsschutz- und Sicherheit, Anti- Korruption und Geldwäschemaßnahmen.

 

Die Analyse sowie das Aufzeigen des Fortschritts durch konkrete ESG-Maßnahmen muss dann nach außen und zumindest an die relevanten Stakeholder getragen werden – ganz nach dem Motto: „machen und zeigen“. Diese Außendarstellung in Form von Reportings wird in dem gesamten ESG- Kontext eine Dynamik erzeugen, die hoffentlich dazu führt, dass Nachhaltigkeitsaspekte ganz selbstverständlich in Entscheidungen inkludiert werden.

Es geht in der Nachhaltigkeitstransformation gerade nicht darum, eine Vielzahl von isolierten Einzelmaßnahmen zu ergreifen, sondern mit Blick auf den Unternehmensgegenstand eine individuelle ESG-Strategie zu entwickeln, die auch das Unternehmen mit seinen personellen, wirtschaftlichen und strategischen Möglichkeiten im Blick hat. Es ist leider ein weit verbreiteter Irrglaube, dass quasi per „Copy & Paste“ ESG-Strategien unternehmens- und branchenübergreifend schlicht übernommen werden können. Man kann gut voneinander lernen, aber man muss letztlich seinen eigenen authentischen Weg finden und gehen.

Die Märkte und Marktteilnehmer erwarten insgesamt immer mehr die Leistung eines freiwilligen Beitrags, der über die bislang bestehenden gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgeht.

Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Vielmehr ist festzustellen, dass sich die meisten Markteilnehmenden gerade mit der fehlenden Regulatorik, also mit dem Fehlen konkreter Umsetzungsvorgaben, eher schwertun, als darin die Chance zu sehen, kreative Lösungsansätze und individuelle ESG-Strategien zu entwickeln. Insofern muss also umgedacht werden. Noch appelliert der Verordnungsgeber an die Eigeninitiative der Unternehmen und hält sich angenehm zurück. Sollten wir es also nicht schaffen, diese Spielräume kreativ zu nutzen nach dem Motto, „was ich nicht muss, mach´ ich auch nicht“, wird sich der europäische aber auch der nationale Gesetzgeber immer mehr gezwungen sehen, verbindliche Vorgaben zu erlassen.

ESG appelliert in erster Linie also an die Kreativität eines jeden Einzelnen. Das sollten wir nutzen.

Autoren: Sophia Trotno, ESG Referentin und  Sven Ludwig, Rechtsanwalt