12.01.2022

BGH: Keine pauschale Kürzung von Gewerberaummiete im Lockdown

Der Zwölfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat heute am 12. Januar 2022 eine Entscheidung (XII ZR 8/21) über die Verpflichtung von Gewerberaummietern zur Zahlung von Miete bei Corona-bedingten Schließungen verkündet. Danach haben Mieter bei pandemiebedingten Schließungen zwar im Grundsatz Anspruch auf eine Herabsetzung der Miete, wie hoch diese Herabsetzung ausfällt, muss jedoch anhand der Umstände des Einzelfalles geprüft werden, eine pauschale hälftige Teilung der Miete kommt nicht in Betracht. Der BGH hat den Fall an das OLG Dresden zurückverwiesen, welches nunmehr neu verhandeln muss.

Hintergrund

Geklagt hatte die Vermieterin von Gewerberäumen, in denen ein Textil-Einzelhandel (KIK) betrieben wurde. Der Laden im Bezirk Chemnitz war von 19. März 2020 bis 19. April 2020 aufgrund einer Allgemeinverfügung des Landes Sachsen geschlossen. Die Mieterin zahlte für den Monat April 2020 keine Miete. Die Vermieterin klagte daraufhin auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete. Die Vorinstanz (LG Chemnitz, 4 0 639/20) hatte die Mieterin zur Zahlung der Miete für April 2020 in voller Höhe verurteilt. Das OLG Dresden hatte diese Entscheidung aufgehoben und die Mieterin nur zu einer Zahlung von 50% der Miete verurteilt mit der Begründung, die Schließungsanordnung stelle eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages i.S.v. § 313 (1) BGB dar, woraus eine Anpassung des Vertrages derart folge,  dass die Kaltmiete hälftig für die Dauer der Schließung reduziert sei. Das Risiko sei nicht vorhersehbar und von keiner Vertragspartei zu vertretenden gewesen, so dass eine einseitige Verlagerung des Risikos auf die Mieterin ausscheide, so das OLG. Das Risiko sei von den Vertragsparteien hälftig zu tragen.

Entscheidung

Der BGH stimmte dem nunmehr insofern zu, dass eine Anpassung der Miete im Fall einer behördlich angeordneten Schließung grundsätzlich in Betracht komme. Die pauschale hälftige Teilung der Miete sei jedoch rechtsfehlerhaft. Es komme auf die Umstände des Einzelfalles an. Im Rahmen der Zumutbarkeit seien neben Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt auch staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen zu berücksichtigen. Der BGH hat die Entscheidung zurück an das OLG Dresden verwiesen, welches nun die Kriterien der Unzumutbarkeit anhand der Umstände des Einzelfalle genauer beleuchten muss.

Stellungnahme und Ausblick

Dies ist konsequent. § 313 (1) BGB  fordert eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Die Frage der Zumutbarkeit kann nicht damit begründet werden, dass keine Partei die Einschränkung verursacht oder vorhergesehen hat. Dies ist ein Umstand, der in der Vergangenheit liegt; die Frage der Zumutbarkeit ist jedoch in die Zukunft gerichtet.

Es bleibt abzuwarten, welche Kriterien das OLG Dresden im Rahmen der Zumutbarkeit herausarbeiten wird.

Das OLG Frankfurt am Main (2 U 143/20) hatte sich bereits im März letzten Jahres ausführlich Gedanken um mögliche Kriterien gemacht und nennt als solche neben den konkreten Bedingungen des Mietvertrages (Laufzeit, Miethöhe, Kündigungsmöglichkeiten) auch rechtliche und tatsächliche Möglichkeiten für den Mieter, das Mietobjekt in geänderter Weise weiterzunutzen. Daneben sei das Maß der Liquidität oder Kreditfähigkeit des Mieters ebenso zu berücksichtigen, wie die Möglichkeit, Nachholeffekte zu nutzen. Eine Rolle könne auch spielen, ob der Mieter mehrere Filialen betreibe oder Teil eines Konzernverbundes sei, ob der Mieter über eine Betriebsausfallversicherung verfüge oder ob er öffentliche Förderungen erhalten habe und ob er Rücklagen gebildet habe bzw. hätte bilden müssen. Auf Seiten des Vermieters sei – so jedenfalls das OLG Frankfurt am Main – zu berücksichtigen, ob dieser auf die regelmäßigen Mieteinnahmen zur Tilgung eines Kredits angewiesen sei.

Fest steht schon jetzt, dass es einen allgemeingültigen Maßstab zur Anpassung der Miete im Lockdown für die vielfältigen existierenden Gewerberaummietverhältnisse nicht geben kann und nicht geben wird. Dies ist im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit auch begrüßenswert.

Autorin:

Yvonne Spatz, Rechtsanwältin