29.11.2021

3G am Arbeitsplatz – Bedeutung der Änderungen des Infektionsschutzgesetzes für die Praxis

Was bedeutet der neu gefasste § 28b Abs. 1 IfSG nach Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite für Arbeitgeber? Nach einer Kurzdarstellung des Regelungsinhaltes möchten wir vor allen Dingen auf alltägliche Fragestellungen eingehen, die der Neuregelung nicht direkt zu entnehmen sind.

Regelungsinhalt:

  • Zutritt zum Arbeitsplatz: Geimpft, Genesen oder Getestet
  • Gilt nicht für Mitarbeiter im Homeoffice
  • Geimpfte bzw. Genesene müssen den Nachweis einmalig erbringen, Getestete täglich
  • Bußgelder: bis zu 25.000 Euro für Arbeitgeber und Beschäftigte
  • Regelung ist bis 19. März 2022 in Kraft

 

Doch was bedeutet das alles für die Praxis?

Wir hoffen, dass wir mit den folgenden Antworten Ihre wichtigsten Fragen beantworten. Ansonsten sprechen Sie uns gerne an!

1. Wie kontrolliert der Arbeitgeber die 3G-Regel?

 Sofern vorhanden, kann der der 3G-Status durch eine entsprechende Sperrung im elektronischen Zeiterfassungssystem überprüft werden. Das heißt, bei Getesteten muss die elektronische Zutrittskontrolle täglich freigeschaltet werden. 

 

2. Wer trägt die Kosten für die Tests zur Erfüllung der 3G-Nachweispflicht?

Die Beschäftigten haben selbst für ihre 3G-Nachweise und deren Gültigkeit Sorge zu tragen und daher auch die entsprechenden Kosten für die Testungen (auch kostenlose Bürgertests werden akzeptiert).

 

3. Muss der AG weiterhin Selbsttests anbieten und können Beschäftigte zur Erfüllung ihrer 3G-Nachweispflicht auf die angebotenen Tests des Arbeitgebers zurückgreifen? 

  • Der Arbeitgeber ist auch weiterhin verpflichtet, seinen Beschäftigten (unabhängig davon, ob sie geimpft, genesen oder ungeimpft sind) zweimal pro Kalenderwoche von ihm finanzierte Testangebote zu unterbreiten, soweit diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten und keine anderen geeigneten Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherstellt (vgl. § 4 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung). Dieser Pflicht genügt er bereits, wenn er Selbsttests zur Verfügung stellt, die die Beschäftigten ohne Aufsicht nutzen können.
  • Zum wirksamen Nachweis des Teststatus durch den Arbeitnehmer nach der Neuregelung ist es erforderlich, dass die Selbsttests unter Aufsicht im Betrieb durchgeführt werden. Der Arbeitgeber erfüllt seine gesetzliche Verpflichtung zum Testangebot also, in dem er Selbsttests ohne Aufsicht anbietet, eine Testmöglichkeit unter Aufsicht muss nicht angeboten werden. Die Beschäftigten können daher vom Arbeitgeber keine Testungen verlangen, die die Anforderungen für die 3G-Nachweispflicht erfüllen.

 

4.    Hat der Arbeitgeber die Testung zum 3G-Nachweis wie Arbeitszeit zu vergüten?
  • Nein, soweit Beschäftigte sich von Drittanbietern testen lassen bzw. die Arbeitsstätte für die Wahrnehmung von Testungen unter Aufsicht aufsuchen und diese Tests der Erlangung eines Testnachweises dienen, zählt dieser Zeitraum nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Darüber hinaus ist der Test unmittelbar vor Arbeitsaufnahme abzugeben und dementsprechend auch vor Arbeitsbeginn durchzuführen, sodass dies (ähnlich wie der Arbeitsweg) nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt.

 

5. Kann der Arbeitgeber die Vergütung einbehalten, wenn Beschäftigte keinen 3G-Nachweis vorlegen und die Testung verweigern? 

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, Beschäftigten ohne 3G-Nachweis den Zutritt zur Arbeitsstätte zu verweigern und grundsätzlich berechtigt, die Vergütung einzubehalten. Denn Beschäftigte, die keinen 3G-Nachweis vorlegen können oder wollen und in dessen Folge keine Arbeitsleistung erbringen können, erfüllen eine gesetzliche Verpflichtung nicht und haben keinen Vergütungsanspruch („ohne Arbeit kein Lohn“).
  • Anders wäre dies zu beurteilen, sofern die Beschäftigten berechtigt sind (z. B. nach dem Arbeitsvertrag oder sonstigen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber) die Arbeitsleistung auch außerhalb der Arbeitsstätte zu erbringen (z. B im „Homeoffice“) und dem zwingende betriebliche Gründe (etwa wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten, z. B. Hausmeisterdienste, Postservice, Reparatur- und Wartungsarbeiten, erforderliche Kunden- und Mitarbeiterkontakte sowie Notdienste) nicht entgegenstehen. Dann sind die Beschäftigten berechtigt und verpflichtet, ihre Arbeitsleistung z. B. im Homeoffice (hier ist kein 3G-Nachweis erforderlich) zu erbringen, weshalb sie auch entsprechend zu vergüten sind. Die Verpflichtung, Homeoffice anzubieten, ist also wieder eingeführt worden.

 

 6. Müssen Beschäftigte mit einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung rechnen, wenn sie keinen 3G-Nachweis vorlegen und die Testung verweigern?

  • Ob der Arbeitgeber dieses Verhalten auch arbeitsrechtlich sanktionieren kann (z. B. durch Abmahnung bis hin zu einer Kündigung), kann man derzeit nicht rechtssicher beantworten, weil es weder abschließend gesetzlich geregelt ist noch Rechtsprechung vorhanden ist, an der man sich orientieren kann. Einerseits kann aus der Testverweigerung nicht per se geschlossen werden, der Beschäftigte wolle seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Andererseits sind Beschäftigte zum Nachweis ihres 3G-Status als Zugangsvoraussetzung zur Arbeitsstätte verpflichtet und dem Arbeitgeber ist es wiederum – unter Androhung eines erheblichen Bußgeldes im fünfstelligen Bereich – verwehrt, die Arbeitsleistung ohne 3G-Nachweis anzunehmen.
  • Wir sind der Meinung, dass allein der Verstoß gegen die 3G-Nachweispflicht des Beschäftigten grundsätzlich keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, da ohne Hinzutreten weiterer entgegenstehender Umstände nicht von einer Arbeitsverweigerung des Beschäftigten auszugehen ist, sodass auch eine etwaige Abmahnung oder gar verhaltensbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt wäre. Überdies muss eine Kündigung immer das „letzte Mittel“ unter gleich geeigneten Mitteln sein, sodass eine solche zunächst überhaupt erst nach einer bzw. mehrfachen Abmahnung(en) in Betracht zu ziehen ist und gegebenenfalls vorrangig zu prüfen ist, ob die Einstellung der Lohnzahlung oder eine etwaige unbezahlte Freistellung mildere Mittel darstellen.
  • Ungeachtet dessen kann je nach Einzelfall der Ausspruch einer personenbedingten Kündigung (Entfall der subjektiven Eignung für den Arbeitsplatz) in Betracht zu ziehen sein, wenn der Beschäftigte sich kontinuierlich und über einen längeren Zeitpunkt weigert, den 3G-Nachweis zu erbringen und zudem auch deutlich macht, dass er nicht gewillt ist, diesen je in Zukunft zu erbringen. Jedoch sind die Anforderungen an eine solche Kündigung nach der soweit ersichtlichen Rechtsprechung sehr hoch und wir bezweifeln bereits, dass die kurze Geltungsdauer der 3G-Nachweispflicht am Arbeitsplatz von knapp vier Monaten (selbst bei einer gegebenenfalls nochmaligen Verlängerung um wenige Monate) hierfür ausreicht.

 

7. Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei 3G?

  • Die Einführung der 3G-Nachweispflicht im Betrieb (das sog. „OB“) unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats, da es sich um eine zwingende gesetzliche Regelung handelt, die dem Arbeitgeber keinen Gestaltungsspielraum belässt.
  • Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Art und Weise der Ausgestaltung (das sog. „WIE“) der 3G-Nachweispflicht, die nach § 87 Abs. 1, 7 BetrVG der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. In diesem Zusammenhang kann der Betriebsrat z.B. über Fragen mitbestimmen, wo und wie die Beschäftigten kontrolliert werden (ob z. B. die Firmen- bzw. Werksausweise zunächst gesperrt und erst nach Vorlage des 3G-Nachweises wieder freigegeben werden sollen) oder wo und wie entsprechende Tests durchgeführt werden sollen (falls der Arbeitgeber diese überhaupt einführen will, denn das entscheidet der Arbeitgeber allein).

 

8. Müssen auch bei Drittunternehmen beschäftigte Reinigungskräfte, die beim Arbeitgeber eingesetzt werden, ihren 3G-Status nachweisen? 

  • Ja, aus unserer Sicht ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zum Schutz seiner Beschäftigten und aufgrund seines Hausrechts berechtigt, auch von bei Drittunternehmen beschäftigten Reinigungskräften (gegebenenfalls über das beauftragte Unternehmen) einen 3G-Nachweis zu verlangen. Derartige Zugangsregelungen sind geeignet, das Risiko der Virusverbreitung im Betrieb deutlich zu reduzieren.

 

9. Ist der Arbeitgeber berechtigt, den Zugang zur Arbeitsstätte auch von einem 2G-Nachweis (d. h. Geimpft- oder Genesenheitsnachweis) abhängig zu machen? 

  • Ohne gesetzliche Impfpflicht bzw. gesetzliche Grundlage ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, für den Zutritt zur Arbeitsstätte einen 2G-Nachweis zu fordern, der es nur noch Geimpften und Genesenen erlauben würde, vor Ort zu arbeiten, denn grundsätzlich ist jeder Beschäftigte gleich zu behandeln, so dass ihnen im Betrieb auch keine Nachteile erwachsen dürfen.
  • Beschäftigte, die aufgrund angeordneter 2G-Nachweispflicht (ohne gesetzliche Grundlage) durch den Arbeitgeber der Arbeitsstätte fernbleiben, haben daher weiterhin Anspruch auf entsprechende Vergütung, auch wenn sie keine Arbeitsleistung erbringen (können).
  • Ausnahmen gelten nur für bestimmte Geschäftsbereiche.

 

10. Was haben Arbeitgeber aus datenschutzrechtlicher Sicht im Wesentlichen zu beachten? 

  • Soweit es zum Zwecke der Nachweiskontrolle und zur Nutzung eines Hygienekonzepts (etwa um sicherzustellen, dass sich in einem bestimmten Bereich nur Geimpfte und Genesene aufhalten) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber die (Gesundheits-)Daten, wie die Namen der Beschäftigten sowie das Vorliegen eines gültigen 3G-Nachweises inklusive der Gültigkeitsdauer abfragen und dokumentieren. Bei Getesteten dürfen überdies auch das Datum, die Uhrzeit und das Testergebnis gespeichert werden. Weitere Gesundheitsdaten der Beschäftigten dürfen nicht erhoben bzw. verarbeitet werden. Auch sind die Daten 6 Monate nach ihrer Erhebung wieder zu löschen. 
  • Der Arbeitgeber kann unter Beachtung der Anforderungen an den Beschäftigtendatenschutz die Kontrolle auch an z. B. geeignete Beschäftigte delegieren. In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass eine Kenntnisnahme der erfassten Daten durch Unbefugte (z. B. durch Dritte oder Kolleginnen und Kollegen) ausgeschlossen ist. Um das Risiko von Bußgeldern aufgrund der Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen der DSGVO oder des BDSG zu minimieren, ist es ratsam, die Kontrollen, die Dokumentation und den Zugriff auf die Daten lediglich einem sehr eingeschränkten, auf ein Minimum beschränkten Personenkreis zu reduzieren. 
  • Die Kontrollpflichten des Arbeitgebers und das Recht zur Verarbeitung der erhaltenen Gesundheitsdaten der Beschäftigten sind nicht mit einem umfänglichen Auskunftsrecht über den Impf- oder Genesungsstatus verbunden. Es steht genesenen oder geimpften Beschäftigten weiterhin frei, auch aktuelle Testnachweise anstelle von Impf- oder Genesenennachweisen mitzuführen und bei Zugangskontrollen des Arbeitgebers vorzulegen.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Annette Knoth und Nadine Junghenn.