Grundsatz: Haftungsbeschränkung

Die Haftung des Frachtführers für das in seiner Obhut beschädigte Transportgut ist nach deutschem Recht auf einen Höchstbetrag von 8,33 Rechnungseinheiten pro Kilogramm des Rohgewichts des Transportgutes beschränkt (vgl. § 431 Abs. 1 HGB). Eine Rechnungseinheit entspricht dabei einem Sonderziehungsrecht wie es täglich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bestimmt wird. Am Tag der Veröffentlichung dieses Blog-Beitrages beträgt ein Sonderziehungsrecht rd. 1,24 Euro.

Ausnahme: Durchbrechung der Haftungsbeschränkung bei qualifiziertem Verschulden

Der tatsächlich entstandene Schaden liegt oftmals deutlich über dem gesetzlich vorgesehenen Haftungshöchstbetrag. Einen Ausgleich für den gesamten Schaden kann der Anspruchsteller vom Frachtführer grundsätzlich nur beanspruchen, soweit der Anspruchsteller darlegt und beweist, dass der Schaden auf einem qualifizierten Verschulden des Frachtführers beruht.

Voraussetzungen für qualifiziertes Verschulden

Die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers liegen nach § 435 HGB vor, wenn der eingetretene Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine von ihm eingesetzte Hilfsperson (§ 428 HGB) vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

Grundsatz: Darlegungslast des Anspruchsstellers

Die Herausforderung des Anspruchstellers besteht darin, die Voraussetzungen des qualifizierten Verschuldens darzulegen. Da der Schaden im Obhutszeitraum des Frachtführers eingetreten ist, liegen die ein qualifiziertes Verschulden begründenden Umstände in der Sphäre des Frachtführers. Während der Obhut des Frachtführers steht der Anspruchsteller in aller Regel außerhalb des rechtserheblichen Geschehensablaufs und hat keinen Einblick in den Organisationsbereich des Frachtführers. Dem Anspruchsteller wird es daher kaum möglich sein, den relevanten Sachverhalt zur Schadensentstehung zu ermitteln und zu den näheren Umständen substantiiert vorzutragen.

Ausnahme: Sekundäre Darlegungslast des Frachtführers

Um dieses Informationsdefizit des Anspruchsstellers auszugleichen, trifft den Frachtführer unter bestimmten Voraussetzungen eine auf die Schadensentstehung bezogene prozessuale Einlassungsobliegenheit (sog. sekundäre Darlegungslast).

Voraussetzung für diese sekundäre Darlegungslast des Frachtführers ist insbesondere, dass der Klagevortrag des Anspruchsstellers zumindest ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein solches Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Diese können sich sowohl aus der Schadensursache oder aus der Art und/oder aus dem Ausmaß der Beschädigung ergeben.

Sind diese Voraussetzungen einmal gegeben, hat sich der Frachtführer im Rahmen der sekundären Darlegungslast an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.

Hierzu hat er insbesondere mitzuteilen, welche Kenntnisse er über die Schadensentstehung und den konkreten Schadensverlauf hat. Gegebenenfalls hat der Frachtführer offenzulegen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um Schäden zu verhindern.

Fehlen dem Frachtführer entsprechende Kenntnisse, hat dieser im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast in angemessenem Umfang die Schadensursachen zu ermitteln und das Ergebnis dieser Ermittlungen dem Anspruchsteller mitzuteilen. Das Ergebnis polizeilicher Ermittlungen muss der Frachtführer hingegen nicht mitteilen. Insoweit genügt die Übermittlung des Aktenzeichens.

Den Frachtführer trifft jedoch in jedem Fall eine Recherchepflicht. Der Umfang der Recherchepflicht hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von dem Ausmaß und der Art der Beschädigung ab. In jedem Fall hat der Frachtführer Auskünfte bei seinen Mitarbeitern und bei Unterfrachtführern einzuholen, soweit er diese zur Erfüllung des Frachtvertrages eingeschaltet hatte. Haben diese es unterlassen, die bei der Entstehung des Schadens ohne Weiteres erkennbaren Schadensursachen zu dokumentieren oder antworten diese nicht, sodass die Recherche des Frachtführers ins Leere läuft, muss sich der Frachtführer dieses Verhalten zurechnen lassen. Die Entlastung des Frachtführers scheitert.

Kommt der Frachtführer seiner sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nach, spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass ihn in objektiver wie in subjektiver Hinsicht ein qualifiziertes Verschulden trifft. Bei einem qualifizierten Verschulden haftet der Frachtführer der Höhe nach unbeschränkt.

Es liegt auf der Hand, dass Frachtführer eine unbeschränkte Haftung im eigenen Interesse vermeiden sollte. Insofern ist der Frachtführer gut beraten, die Anforderungen an die ihn treffende Darlegungslast, insbesondere auch die ihn treffende Recherchepflicht nicht zu unterschätzen. Nur wenn der Frachtführer seine Recherchepflicht angemessen erfüllt, bleibt der Anspruchsteller darlegungs- bzw. beweisfällig. Ob der Frachtführer im Rahmen seiner Recherche die Schadensursache ausfindig machen konnte, ist diesem Fall unerheblich.

Die nähere Beratung des Frachtführers zum Umfang der sekundären Darlegungslast und der hierauf beruhenden Recherchepflicht sollte ein auf Transportrecht spezialisierter Anwalt übernehmen.

Mit der Welt teilen