Problemstellung

Seit der Einführung von datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen werden Versicherungsgesellschaften immer wieder mit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruches nach Datenschutzrecht konfrontiert. Dabei geht es jedoch nicht immer um die reine Information über etwaige personenbezogene Daten, welche vom Versicherungsnehmer abgefragt werden. Mitunter konfrontieren Versicherungsnehmer die Versicherer in der Phase der Leistungsprüfung oder zur Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens mit einem Auskunftsanspruch. Mithilfe dieses Auskunftsanspruches wird dann oftmals versucht, an Informationen zu gelangen, um die Aussichten des geltend gemachten Leistungsanspruches zu verbessern. Teilweise wird lediglich versucht, nicht mehr auffindbare Unterlagen wie Versicherungsschein oder Versicherungsbedingungen zu beschaffen. Teilweise wird aber auch versucht, an interne Vermerke, Einschätzungen oder an interne Kommunikation zu gelangen. Bei zahlreichen Sachbearbeitern von Versicherungen besteht deswegen eine große Unsicherheit, inwieweit einem Auskunftsbegehren unter Verweis auf die Datenschutzgrundverordnung nachgekommen werden muss, insbesondere wo die Grenze besteht und wie die Herausgabe interner Unterlagen auch verhindert werden kann.

Der BGH hat die Frage bislang nicht abschließend entschieden, obwohl ihm die Thematik an sich bereits vorlag. Eine Entscheidung des LG Detmold bringt nun erste Klarheit in die Thematik: Der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO soll dem Datenschutz dienen und nicht der Vorbereitung und Durchsetzung von Leistungsansprüchen. Deswegen unterliegt der Auskunftsanspruch auch entsprechenden Grenzen.

BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19

Der zugrundeliegende Sachverhalt

In dem Sachverhalt, welcher dem BGH vorlag, forderte der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Erteilung einer vollständigen Datenauskunft im Sinne von zunächst § 34 BDSG und schließlich nach Art. 15 DS-GVO und behauptete, die Auskunft der beklagten Versicherung sei nicht vollständig. Der Versicherungsnehmer forderte sämtliche über ihn vorhandenen Daten. Er forderte dabei ausdrücklich alle intern zu seiner Person gespeicherten Daten sowie die mit ihm gewechselte Korrespondenz, interne Telefon- und Gesprächsnotizen sowie alle sonstigen internen Vermerke zum bestehenden Versicherungsverhältnis als auch die internen Bewertungen der Versicherung zu den Ansprüchen des Klägers.

Die Begründung des BGH

Der BGH bezog sich im Rahmen seiner Entscheidung auf den Erwägungsgrund Ziffer 63 Satz 1 zur DS-GVO. Danach dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Deswegen folgerte der BGH, dass allein nach diesen Grundsätzen betrachtet auch die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das „Prämienkonto“ des Klägers und Daten des Versicherungsscheins sowie auch interne Vermerke und Kommunikation der Beklagten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen werden können.

Denn die Datenschutz-Grundverordnung bestimmt in Art. 4 zahlreiche Begriffe. Die Verordnung fasst dabei den Begriff der „personenbezogenen Daten“ sehr weit und erfasst grundsätzlich alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Und so enthält beispielsweise die Korrespondenz zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ebenso personenbezogene Daten und ist so vom Auskunftsanspruch erfasst. Ob die Schreiben dem Versicherungsnehmer bereits bekannt sind, ist für die Datenschutzgrundverordnung dabei ohne Relevanz, da die Verordnung dahingehend keine Unterscheidung vornimmt. Und weil die Datenschutzgrundverordnung auch keinerlei Unterscheidung dahingehend vornimmt, ob etwaige Daten nur intern oder auch extern zulässig sind, fallen grundsätzlich auch interne Vermerke und interne Kommunikation unter den Auskunftsanspruch. Der Wortlaut des Art. 15 DS-GVO ist grundsätzlich weit gefasst. Deswegen stellt der BGH fest, dass auch interne Vermerke oder interne Kommunikation des Versicherers grundsätzlich als Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO in Betracht kommen, soweit diese Informationen über den Versicherungsnehmer enthalten.

Demgegenüber geht der BGH aber davon aus, dass interne Bewertungen zu den Ansprüchen des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag zwar persönliche Daten enthalten können, die dabei vorgenommene Beurteilung der Rechtslage stellt demnach aber keine Information des Anspruchsstellers dar. Er verweist dazu auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Aus dem Hinweis des BGH lässt sich folgern, dass interne Beurteilungen, beispielsweise über die interne Einschätzung der Erfolgsaussichten einer potentiellen Klage nicht ohne Weiteres vollumfänglich herausgegeben werden müssen. Der genaue Umfang, insbesondere hinsichtlich der darin enthaltenen personenbezogenen Daten, wird aber nicht ganz klar.

Das Ergebnis und die offene Frage

Abgesehen von rechtlichen Beurteilungen kann der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO also grundsätzlich sämtliche Daten und Informationen zum Gegenstand haben. Der Anwendungsbereich von Art. 15 DS-GVO wird also regelmäßig eröffnet sein. Wie so oft folgt auf eine grundsätzliche Feststellung aber auch mindestens eine Ausnahme. Und so deutet der BGH in seiner Entscheidung bereits eine mögliche Ausnahme von dem festgestellten Grundsatz an, aus welcher sich erahnen lassen könnte, dass eben nicht ohne Weiteres die Herausgabe von internen Vermerken und interner Kommunikation verlangt werden kann, selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet sein sollte.

Denn im Rahmen des Verfahrens wurde von der beklagten Versicherung auch geltend gemacht, dass ein Auskunftsanspruch nicht bestehen kann, weil damit Zwecke verfolgt werden, die von Art. 15 DS-GVO nicht geschützt werden. Zudem wurde das Geheimhaltungsinteresse der Versicherung entgegengehalten. Der BGH wirft diese Gedanken am Ende seines Urteils noch einmal auf, lässt diese entscheidenden Fragen jedoch offen. Im Urteil wird dazu festgehalten, dass die Frage auf Grundlage der dem BGH vorliegenden tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilt werden kann. Wörtlich stellt der BGH klar: „Der Senat kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob vorliegend unter diesen Gesichtspunkten die datenschutzrechtlichen Ansprüche des Klägers aus Art. 15 DS-GVO – etwa nach den Vorschriften in Art. 12 Abs. 5 Satz 2, Art. 15 Abs. 4 DS-GVO oder Art. 23 Abs. i DS-GVO i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG – beschränkt werden oder sogar entfallen könnten.“

LG Detmold, Urteil vom 26.10.2021 – 02 O 108/21

Mit dem Urteil des LG Detmold liegt nun eine Entscheidung vor, welche diese Gedanken fortbildet.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

In dem Verfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung. Da der Versicherungsnehmer die entsprechenden Unterlagen nicht mehr auffinden konnte, machte er Auskunftsansprüche gegen den Versicherer geltend, um die relevanten Unterlagen nochmals zu erhalten. Dabei war nicht streitig, dass der Versicherungsnehmer die Unterlagen in der Vergangenheit bereits erhalten hatte.

Der klagende Versicherungsnehmer beantragte im Rahmen einer Stufenklage zunächst, dass ihm Auskünfte über Erhöhungsverlangen durch Übersendung der entsprechenden Vertragsunterlagen erteilt werden. Die beklagte Versicherung legte schließlich entsprechende Vertragsunterlagen vor. Der Versicherungsnehmer forderte daraufhin weitere Auskünfte im Hinblick auf die Erhöhungsverlangen. Der Versicherungsnehmer stützte seinen Auskunftsanspruch auf mehrere Rechtsgrundlagen, unter anderem auch auf Art. 15 DS-GVO.

Die Begründung des LG Detmold

Das Landgericht sah die Stufenklage schon deswegen als unzulässig an, weil der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlen würde, weil die Auskunft dem Kläger erst die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihm dem Grunde nach überhaupt ein Anspruch zusteht, ob also beispielsweise ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der beklagten Versicherung vorliegt.

Das LG Detmold vertrat die Auffassung, dass der klagende Versicherungsnehmer seinen Auskunftsanspruch nicht auf Art. 15 DS-GVO stützen kann. Denn nach Auffassung des LG Detmold steht dem Anspruch der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Der Grundsatz beansprucht nach Ansicht des Gerichts als nationale Ausformung auch im Rahmen des Art. 15 DS-GVO Geltung und verbietet die Ausübung eines Rechts, wenn dadurch eine formale Rechtsstellung ausgenutzt wird oder etwas geltend gemacht wird, an dem der Anspruchsteller kein schützenswertes Eigeninteresse hat. Das LG Detmold führte dazu folgende Begründung an:

Nachdem die begehrten Auskünfte ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen sollen, handelt es sich dabei um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Auch das LG bezieht sich auf den Erwägungsgrund Ziffer 63 DS-GVO. Im Rahmen des Erwägungsgrundes wird deutlich gemacht, dass das Auskunftsrecht aus Art. 15 DS-GVO dem Betroffenen allein dazu dienen soll, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst werden zu können und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DS-GVO allein eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Sowohl Umfang als auch Inhalt der gespeicherten Daten soll auf diese Weise beurteilt werden können. Die durch den Auskunftsanspruch erlangten Informationen sollen anschließend die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung ermöglichen. Beispielsweise die Rechte auf Berichtigung nach Art. 16 DS-GVO, auf Löschung nach Art. 17 DS-GVO oder auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DS-GVO.

Demgegenüber stellte das LG Detmold fest, dass der vom klagenden Versicherungsnehmer beabsichtigte Zweck sich allein in der Prüfung etwaiger geldwerter Ansprüche gegen die Versicherung erschöpft. Wörtlich hielt das Gericht in seiner Entscheidung fest: „Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz.“ Konsequent folgert das Landgericht daraus, dass ein Begehren, welches sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, nicht schützenswert ist. Denn es sei nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunabhängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, sondern die zu erteilenden Auskünfte seien explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden.

Da das Landgericht auch die übrigen Anspruchsgrundlagen ablehnte, wies es die Klage insgesamt ab.

Kommentar und Ratgeber

Im Ergebnis stellt das LG Detmold fest, dass die Auskunftsansprüche aus Art. 15 DS-GVO dem Datenschutz dienen sollen und nicht der Vorbereitung bzw. Durchsetzung von Leistungsansprüchen. Selbst wenn die vom Versicherungsnehmer begehrten Informationen also regelmäßig unter den sehr weiten Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung fallen werden, sind darauf gestützte Auskunftsansprüche auch nicht grenzenlos. Insbesondere steht mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs ein mögliches Mittel zur Verfügung, um sich gegen derartige Forderungen zur Wehr zu setzen. Im Einzelfall wird es jedoch einen entsprechenden Begründungsaufwand erforderlich machen, um sich mit dem Einwand zu verteidigen.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Thematik durch das Urteil des BGH und des LG Detmold bereits abschließend geklärt ist. Beide Entscheidungen liegen nur wenige Monate auseinander. Der BGH hat die Frage noch nicht entschieden. Und ein Vergleich der Entscheidungen macht deutlich, dass die Begründungen unterschiedliche Ansätze zugrunde liegen. Während das LG Detmold seine Begründung direkt auf den sich aus § 242 BGB ergebenden Einwand des Rechtsmissbrauchs stützt, weist der BGH in seiner Entscheidung auf einzelne Vorschriften der DS-GVO und des BDSG hin. Im Rahmen einer Verteidigung gegen etwaige Auskunftsansprüche sind diese Normen also ebenso in Betracht zu ziehen. Schließlich ist es für den Anspruch auch von erheblicher Bedeutung, welche Informationen verlangt werden.

Im Ergebnis bleibt deswegen festzuhalten: Sollte eine Konfrontation mit einem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch erfolgen, ist zunächst abzuwägen, welche Informationen gegebenenfalls ohne Weiteres herausgegeben werden können und bei welchen Informationen eine Herausgabe gegebenenfalls verweigert werden kann. Die Weigerung, geforderte Informationen herauszugeben, ist schließlich anhand der noch nicht abschließenden Rechtsprechung genau zu prüfen und vorzubereiten.

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