25.06.2018

Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug bei Auflösung eines langfristigen Pachtvertrags gegen Entgelt und nachfolgender steuerfreier Grundstücksveräußerung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in seinem Urteil vom 13.12.2017 (XI R 3/16) zu entscheiden, ob dem Verpächter ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der Zahlung eines Ablösebetrags an den Pächter zur Aufhebung eines langfristigen Pachtvertrags zusteht, wenn der Verpächter nachfolgend das Grundstück umsatzsteuerfrei veräußert.

Sachverhalt

Der Eigentümer eines Grundstücks verpachtete dieses langfristig umsatzsteuerpflichtig an einen Pächter. In 2011 schloss der Eigentümer mit dem Pächter dann einen Aufhebungsvertrag zur vorzeitigen Aufhebung des Pachtvertrags gegen Zahlung eines Ablösebetrags zuzüglich Umsatzsteuer. Wie sich aus der Vorbemerkung des Aufhebungsvertrags ergab, beabsichtigte der Eigentümer, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und sah sich an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums durch den langfristigen Pacht- und Unterpachtvertrag gehindert. Etwa ein halbes Jahr nach Beendigung des Pachtverhältnisses veräußerte der Eigentümer dann das Grundstück tatsächlich. Der Verkauf erfolgte umsatzsteuerfrei.

Der Eigentümer machte die an den Pächter im Zusammenhang mit dem Ablösebetrag gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt hingegen versagte den Vorsteuerabzug, da der Eigentümer die Absicht geäußert habe, das Grundstück zum Zweck einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und es nachfolgend steuerfrei veräußert habe.

Entscheidung

Der BFH gewährte den Vorsteuerabzug zugunsten des Eigentümers.

Zwar ist für einen Vorsteuerabzug grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen notwendig. An einem solchen Zusammenhang fehle es vorliegend, so der BFH, da die vom Eigentümer getätigten Ausgaben (Ablösezahlung) nicht zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen gehörten. Denn der Eigentümer habe die Leistung des Pächters (hier: Verkürzung der Vertragslaufzeit) nicht bezogen, um steuerpflichtige Verpachtungsumsätze auszuführen. Der betreffende Leistungsbezug diente vielmehr dazu, die steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit alsbald vorzeitig zu beenden. Die Ablösezahlung sei mithin nicht Teil der Kosten der vom Eigentümer ausgeführten steuerpflichtigen Verpachtungsumsätze.

Aber auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen ist ein Recht auf Vorsteuerabzug gegeben, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehörten und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen. Der BFH erkannte im zu entscheidenden Fall an, dass die Kosten für die Abkürzung der Vertragslaufzeit zu den allgemeinen Aufwendungen der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit des Eigentümers gehören und als solche Kostenelemente der ausgeführten Verpachtungsumsätze sind. Die Kosten haben ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit des Eigentümers und wären nicht entstanden, wenn mit dem Pächter kein langfristiger Pachtvertrag abgeschlossen worden wäre. Ein Vorsteuerabzug war daher für den Eigentümer möglich.

Der BFH nimmt damit, anders als das Finanzamt, keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vom Eigentümer bezogenen Verzichtsleistung des Pächters auf langfristige Pacht und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung an. Auf die möglicherweise von Anfang an bestehende Absicht des Eigentümers, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung steuerfrei zu veräußern, kam es somit nicht an, da die gegenwärtige Verwendung einer beabsichtigten zukünftigen Verwendung vorgeht.

Fazit

Die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen bei einer steuerfreien Veräußerung eines bisher steuerpflichtig genutzten Grundstücks führt in der Praxis immer wieder zu Abgrenzungsproblemen. Die Konkretisierung durch das BFH-Urteil ist daher zu begrüßen. Es ist aber weiterhin wie folgt zu differenzieren:

  • Der BFH hat vorliegend den Vorsteuerabzug gewährt, da er die spätere (steuerfreie) Veräußerung des Grundstücks als nicht maßgebend beurteilt, weil zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs (also zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags) die steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit noch nicht beendet war. Zudem konnte der BFH eine konkret beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung noch nicht feststellen.
  • Ein Vorsteuerabzug scheidet aber aus im Fall eines nach Einstellung der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit erfolgenden Leistungsbezugs mit nachfolgender steuerfreier Grundstücksveräußerung (BFH v. 14.3.2012 – XI R 23/10).
  • Unklar bleibt eine Konstellation, in der die vorzeitige Auflösung zwar zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Pachtverhältnis noch besteht, aber eine konkret beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung bereits festgestellt werden kann. Über diese Fallgestaltung hat der BFH noch nicht entschieden.

Neben den erwähnten Abgrenzungsfragen ist das Besprechungsurteil auch deshalb interessant, da der BFH auf die Vorfrage, ob eine Abfindungszahlung für eine vorzeitige Auflösung eines Pachtverhältnisses überhaupt der Umsatzsteuer unterliegt, nicht näher eingeht. Die Verzichtsleistung des Pächters wird vom BFH unstreitig als umsatzsteuerpflichtig gewertet. Dies hat wohl Auswirkungen auf das anhängige Revisionsverfahren XI R 20/17, bei dem es um die Rechtsfrage geht, ob eine Abfindungszahlung des Mieters an den Vermieter zur vorzeitigen Entlassung aus dem Mietvertrag als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschs zu werten ist oder aber als nicht umsatzsteuerbarer Schadensersatz.

 

Dr. Johannes Stehr
Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht