04.01.2022

Nicht-Ermöglichung der Speicherung von AGB im Onlineshop stellt wettbewerbsrechtlichen Verstoß dar

Nicht zuletzt auch durch die COVID-19 Pandemie erlebt der Vertrieb von Waren über Online-Shops derzeit einen ungeheuren Aufschwung. War dies bislang hauptsächlich die Domäne großer Versandkonzerne, dehnen mittlerweile auch immer mehr kleine und mittlere Unternehmen ihre Vertriebswege auf das Internet aus.

Dabei gilt es allerdings auch verschiedene spezielle gesetzliche Erfordernisse zu beachten, vor allem hinsichtlich der gegenüber Kunden zu erbringenden Informationspflichten:

So schreibt etwa § 312i Nr. 4 BGB vor, dass ein Unternehmer, wenn er sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient, seinen Kunden die Möglichkeit verschaffen muss, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.

Sachverhalt

Das OLG Frankfurt hat in diesem Zusammenhang unlängst entschieden (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.11.2021 Aktenzeichen 2 U 81/21), dass ein Verstoß gegen die sich aus § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB ergebende Informationspflicht einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß darstellen kann.

Dabei wurde von dem Gericht insbesondere die Anforderung an die „Speicherungsmöglichkeit in wiedergabefähiger Form“ konkretisiert.

Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Bio-Landwirt, der über eine Website unter anderem Müslis zur Bestellung und Abholung anbietet (Antragssteller) die Betreiberin eines Online-Shops über den sie Müslimischungen vertrieb (Antragsgegnerin), wegen Verstößen gegen verschiedene gesetzliche Informationspflichten – u.a. die genannte Pflicht aus § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB – abgemahnt hatte.

Das OLG Frankfurt bejahte einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß.

Der Antragsteller war als Mitbewerber Antragsgegnerin zunächst zur Abmahnung aktivlegitimiert.

Auch eine Verletzung der Informationspflicht des § 312i Nr. 4 BGB durch den Antragsgegner wurde vom OLG angenommen.

Der Antragsgegner hatte vorgetragen, dass zum einen seinen Kunden die Vertragsbedingungen stets mitsamt der Bestellbestätigung zusenden würde und diesen zum anderen die Möglichkeit verschafft habe, mittels eines Links auf die AGB „zuzugreifen“; dadurch sei es einem Kunden möglich, die AGB mittels der Speicherfunktion seines Browsers zu speichern.

Dies lies das OLG allerdings nicht ausreichen: So führe der Link auf die AGB lediglich zu einer Zugriffsmöglichkeit auf die Vertragsbedingungen. Ausweislich der Norm des § 312i Nr. 4 BGB stehe der Verkäufer aber in der Pflicht, dem Kunden eine konkrete Speichermöglichkeit zu verschaffen. Diese Pflicht werde gerade nicht erfüllt, wenn der Kunde selbst über seinen Browser die Speicherung veranlassen müsse.

Wettbewerbsrechtliche Relevanz entfaltet dieser Verstoß laut dem OLG, weil die Norm eine Informationspflicht darstellt, die durch Umsetzung der europäischen Verbraucherrechterichtlinie in das BGB implementiert wurde. Nach § 5a Abs. 4 UWG stelle diese Informationspflicht deshalb eine „wesentliche Information“ i.S.d. § 5a Abs. 2 UWG dar, deren Vorenthaltung automatisch zu einem unlauteren Handeln des Unternehmers führe und von Mitbewerbern entsprechend abgemahnt werden kann.

Stellungnahme

Das OLG schafft hier zumindest teilweise Klarheit zur Auslegung der sich aus § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB ergebenden Pflicht eines Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr zur Ermöglichung des Abrufs und der Speicherung der Vertragsbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Verdeutlicht wird dabei nochmals zum einen, dass im elektronischen Geschäftsverkehr die Informationspflichten etwa über den Grundsatz von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB hinaus gehen, wonach Vertragspartnern nur die Möglichkeit verschafft werden muss, von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.

Das OLG stellt aber auch klar, dass die für den Kunden zu schaffende Speichermöglichkeit möglichst barrierefrei sein muss, diesem also keine zusätzlichen Umstände entstehen dürfen.

Inwieweit das OLG damit aber auch der in der rechtswissenschaftlichen Literatur verbreiteten Auffassung, auch die Zusendung der entsprechenden Vertragsbedingungen „in einer angemessenen Zeitspanne“ (etwa zusammen mit der Annahme als E-Mail) reiche für die Erfüllung dieser Pflicht aus (u.a. so Wendehorst in Münchener Kommentar BGB § 312i Rn. 104, 105) widerspricht, lässt sich nicht mit abschließender Gewissheit sagen: Denn das OLG ging auf den Vortrag des Antragsgegners, seine Kunden hätten mit der Bestellbestätigung auch die Vertragsbedingungen erhalten, nicht näher ein. Gerade da der Vertrag erst mit der Annahme in Form der Bestellbestätigung zu Stande kommt, und die Norm des § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB gerade die Speichermöglichkeit „bei Vertragsschluss“ einfordert, wären hier nähere Ausführungen hilfreich gewesen.

Unternehmern, die Waren oder Dienstleistungen über das Internet an Endverbraucher anbieten sei vor dem Hintergrund dieser Entscheidung dennoch geraten, ihren Kunden schon bei der Bestellung stets eine einfach zugängliche Speichermöglichkeit der Vertragsbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu eröffnen – etwa durch einen Link auf ein PDF Dokument – um dem Risiko einer Abmahnung durch Mitbewerber zu entgehen.

Autoren: Thomas Hertl, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Florian Eckert