Koalitionsvertrag 2021-2025 der Ampelkoalition – Real Estate / Tax Implikationen
Heute wurde der Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierungsparteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vorgestellt. Für die Immobilienwirtschaft ergeben sich hieraus insbesondere folgende Erkenntnisse:
1. Klimaschutz
Bauen & Wohnen sollen einen wesentlichen Beitrag leisten (sowohl der Neubau als auch der Bestand). Ein Sofortprogramm soll aufgesetzt und die erneuerbaren Energien drastisch ausgebaut werden. Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 Standard angeglichen.
Im Koalitionsvertrag ist ein schneller Umstieg auf die sogenannte Teilwarmmiete vorgesehen. Hierdurch soll eine faire (Wortlaut) Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO₂-Preises zwischen Vermietern einerseits und Mietern andererseits erreicht werden. Geplant ist die Einführung eines Stufenmodells nach Gebäudeenergieklassen zum 1. Juni 2022, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, sollen die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieter geteilt werden.
Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden. Mieterstrom- und Quartierskonzepte sollen verstärkt gefördert werden.
Eine Aussage zur Finanzierung dieser Maßnahmen bleibt das Papier schuldig.
2. Wohnen
Durch ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ sollen pro Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden. Eine neue Wohngemeinnützigkeit soll bezahlbaren Wohnraum schaffen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben so selbst schneller bauen.
Die schon geltenden Mieterschutzregelungen sollen evaluiert und verlängert werden. Dies hört sich relativ „neutral“ an. Eine sogenannte Evaluierung kann allerdings zu erheblichen Verschlechterungen für Eigentümer bzw. Vermieter führen. In angespannten Märkten soll die Kappungsgrenze auf 11% in 3 Jahren absenkt werden. Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahre 2029 verlängert werden. Qualifizierte Mietspiegel sollen gestärkt, verbreitert und rechtssicher ausgestaltet werden und für Gemeinden über 100.000 Einwohnern verpflichtend sein; zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 7 Jahre herangezogen werden.
Es soll geprüft werden, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021, welches dem gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) enge Grenzen gesetzt hatte, ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.
Zu begrüßen ist die geplante Anhebung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von 2 auf 3%.
3. Steuern
Die gute (FDP-)Nachricht vorab: Es sollen keine neuen Substanzsteuern eingeführt und keine Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer erhöht werden. Dies klingt gut, heißt aber nicht explizit, dass steuerliche Begünstigungen bei Immobilien nicht gestrichen werden. Die kürzlich veröffentlichten Vorschläge des ifo Instituts für eine Reform der Immobilienbesteuerung, wie z. B. die Abschaffung der 10-Jahresfrist für private Immobilienverkäufer oder der Wegfall der erweiterten Grundbesitzkürzung für GewSt, haben jedoch keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Der Konjunktur soll ein Schub durch Superabschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung gegeben werden. Unklar ist, ob diese auch für Immobilien anwendbar sein werden.
Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung sollen steuerliche Schlupflöcher beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals) dienen. Hier ist wohl zu befürchten, dass die gerade erst auf 90 % reduzierte Erwerbsgrenze beim Share Deal noch weiter verschärft wird. Hinweise zur Ausgestaltung einer weiteren Verschärfung bleibt der Koalitionsvertrag – zum Glück – schuldig.
Die im Rahmen der Coronapandemie erweiterte Verlustverrechnung (die maximale Höhe eines möglichen Verlustrücktrags wurde deutlich angehoben) soll zeitlich bis Ende 2023 verlängert und der Verlustrücktrag auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausweitet werden.
4. Missbrauchsbekämpfung
Eines der Ziele des Koalitionsvertrags ist, den Kampf gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Steuervermeidung auszuweiten.
Zur Missbrauchsbekämpfung sollen ein Versteuerungsnachweis für gewerbliche Immobilienkäufer aus dem Ausland sowie ein Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld eingeführt werden. Im Grundbuch soll eine ladungsfähige Anschrift bei Änderungen verpflichtend werden, und das Datenbankgrundbuch soll mit dem Transparenzregister verknüpft werden, um die Verschleierung der wahren Eigentümer von Immobilien zu verhindern.
Die bereits eingeführte Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6) soll auch auf nationale Steuergestaltungen von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro ausgeweitet werden. Dies würde den ohnehin schon erheblichen Aufwand von Unternehmen durch bestehende Meldepflichten noch einmal erhöhen.
Um Steuergestaltungen zu vermeiden, soll die durch das anhaltende Niedrigzinsniveau nur noch in seltenen Fällen relevante Zinsschranke durch eine Zinshöhenschranke ergänzt werden.
Dass man sich weiter aktiv für die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung einsetzen will, hört sich gut an, ist aber wohl materiell kein realistisch umsetzbares Ziel.
Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass nicht alles, was in einem Koalitionsvertrag steht, auch umgesetzt wird und auch außerhalb eines Koalitionsvertrags maßgeblichen Änderungen beschlossen werden können. Zudem kommt es letztlich auf die jeweilige Ausgestaltung an. Die tatsächlichen Auswirkungen sind insofern abzuwarten und werden in vielen Fällen erst wirklich einzuschätzen sein, sobald der erste Gesetzentwurf vorliegt. Wir weisen darauf hin, dass vorgenannte Analyse in den letzten wenigen Stunden seit Erscheinen des Koalitionsvertrags erstellt wurde und insbesondere konkrete Maßnahmen aufgreift, wir jedoch die allgemeineren Aussagen weggelassen haben.
Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen in den nächsten Tagen und Wochen!
Alexander Lehnen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Laura Neugebauer, Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Veit Kachelmann, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht