12.11.2021

Bundesverwaltungsgericht erklärt Berliner Vorkaufsrechtspraxis für unzulässig

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom Dienstag (BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 – 4 C 1.20) die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Land Berlin für ein Grundstück, das innerhalb einer „Sozialen Erhaltungssatzung“ (auch Milieuschutzverordnung genannt) liegt, versagt. Zur Begründung führt das Gericht an, dass das Kaufobjekt den Zielen der Erhaltungssatzung entsprechend genutzt werde, bebaut ist und das Gebäude keine Missstände oder Mängel aufweise. Allein die Gefahr einer künftigen Nutzungsabsicht, die den Zielen der Erhaltungssatzung widerspreche, reiche nicht aus, um das Vorkaufsrecht auszulösen. Die Annahme, dass der Käufer die Mieter in der Zukunft möglicherweise aus dem Gebiet verdrängen könnte, ist also kein Grund, der zur Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt.

Während die Vorinstanzen auch eine erwartete künftige Nutzung eines Erwerbers berücksichtigten, erteilt das BVerwG dem eine Absage. Der Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB sei eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über das Vorkaufsrecht bezogen und erfasse keine künftigen Entwicklungen.

Konsequenz für den Immobilienerwerb:

Das Bundesverwaltungsgericht hat der bisher gängigen Vorkaufsrechtspraxis in Berlin eine Absage erteilt. Dies stärkt die Rechte von Investoren. Dennoch sollte bei Asset-Deals im Geltungsbereich von sozialen Erhaltungssatzungen der Verzicht auf das Vorkaufsrecht Fälligkeitsvoraussetzung sein, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Gemeinde trotzdem ihr Vorkaufsrecht ausübt. Dann müsste – gegebenenfalls in einem längeren Rechtsstreit – gerichtlich geklärt werden, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts zulässig war oder nicht.

Ob es eine gesetzliche Neuregelung des Vorkaufsrechts für die Fälle geben wird, in denen Verdrängung der Wohnbevölkerung droht, bleibt abzuwarten.

Zum Hintergrund:

Soziale Erhaltungssatzungen sollen verhindern, dass die angestammte Wohnbevölkerung verdrängt wird, indem an Bestandsgebäuden Modernisierungsmaßnahmen, Sanierungen, Veränderungen der Struktur einer Wohnung, Umnutzung von Wohnungen in Gewerbe oder der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorgenommen werden und hierdurch die Mieten in einem Maße steigen, die die dort ansässigen Mieter nicht tragen können.

Das Land Berlin hat sein Vorkaufsrecht häufig zugunsten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ausgeübt, um dieser Gefahr zu begegnen. So auch in dem zugrundeliegenden Fall.

Eine Immobiliengesellschaft hatte hiergegen geklagt, Streitgegenstand war ein Grundstück in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, das mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und 2 Gewerbeeinheiten befinden.

Autorinnen: Yvonne Spatz und Marlena Purwin