05.11.2021

Verschuldensunabhängige Haftung von Fußballclubs bei Fanausschreitungen?

Darf ein Fußballclub für das Fehlverhalten seiner Fans im Stadion verschuldensunabhängig sanktioniert werden? Über diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, nachdem der Fußballclub FC Carl Zeiss Jena e. V. gegen eine Entscheidung des Sportgerichts des DFB vorgegangen und zuvor sowohl auf Verbandsebene als auch vor dem OLG Frankfurt am Main erfolglos geblieben war.

Das Sportgericht des DFB hatte den FC Carl Zeiss Jena e. V. gem. § 9a Nr. 1 und 2 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) mit einer Geldstrafe in Höhe von 24.900 Euro belegt, weil Fans des Clubs in mehreren Spielen der dritten Liga pyrotechnische Gegenstände abgebrannt und Gegenstände in Richtung Spielfeld geworfen hatten.

§ 9a Nr. 1 und 2 DFB-RuVO sieht für derartige Fälle eine verschuldensunabhängige Haftung des Vereins vor. Zudem nahm das Bundesgericht des DFB, welches über die verbandsinterne Berufung  zu entscheiden hatte, auch eine eigene Verschuldenshaftung des Vereins an, weil dieser keinen ausreichenden Ordnungsdienst gehabt hätte.

Sowohl das „Ständige Schiedsgericht für die dritte Liga beim Deutschen Fußballbund“ („Ständiges Schiedsgericht der 3. Liga“) als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatten Klagen des FC Carl Zeiss Jena e. V. gegen die Verbandsentscheidung zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte fest, dass das Ständige Schiedsgericht für die 3. Liga ein echtes und unabhängiges Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO ist und der Schiedsspruch deshalb von den ordentlichen Gerichten nur bei einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung hätte aufgehoben werden dürfen (§ 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Ein solcher Fall liege nicht vor.

Der FC Carl Zeiss Jena e. V. sieht das anders und legte Rechtsbeschwere gegen die Entscheidung ein. Deshalb hatte sich nun der BGH mit dieser Grundsatzfrage zu befassen.

Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob die in § 9a DFB-RuVO geregelte verschuldensunabhängige Haftung des Vereins für das Fehlverhalten von Fans im Stadion vor, während und nach dem Spiel gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt.

Konkret bedeutet das: Verstößt eine verschuldensunabhängige Bestrafung nach der Regelung in § 9a DFB-RuVO gegen elementare Grundsätze der Rechtsordnung, weil diese eigentlich vom Schuldprinzip ausgeht?

Der BGH hat nun deutlich entschieden: Nein, der Schiedsspruch verstößt nicht gegen den ordre public, weil die Sanktion nach§ 9a DFB-RuVO schon keine strafähnliche Sanktion darstellt, die dem Grundsatz des Schuldprinzips unterliegen könnte. Denn die Sanktion diene nicht der Ahndung und Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens, sondern solle den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern.

Die Sanktion nach § 9a DFB-RuVO werde nicht deshalb verhängt, weil der Verein Vorgaben des DFB zu Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hätte, sondern weil die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausgereicht hätten, um Ausschreitungen von Fans zu verhindern.

Die „Geldstrafe“ solle also dazu anhalten, zukünftig alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf die Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern, z. B. durch ständige Kommunikation mit den Fans und geeignete präventive Maßnahmen. Dadurch sollen die von den Anhängern des sanktionierten Clubs ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich unterbunden werden.

Auch sonstige Verstöße gegen den ordre public durch den Schiedsspruch vermag der BGH nicht erkennen.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an unser ASD|SPORTS-Team.

Quellen:

Pressemitteilungen des BGH zum Beschluss vom 4. November 2021

Pressemitteilung des BGH zur mündlichen Verhandlung

Entscheidung des OLG Frankfurt am Main- 26 Sch 1/20