03.03.2022

Bereichsausnahme Rettungsdienst in Schleswig-Holstein anwendbar

Die Vergabekammer Schleswig-Holstein (VK SH) hatte mit dem Beschluss vom 09.02.2022 (Az.: VK-SH 13/21) zwar nur über die Einstellung eines Nachprüfungsverfahrens und damit letztlich über die Verteilung der Verfahrenskosten zu entscheiden. Im Rahmen der Kostenentscheidung setzte sich die VK SH jedoch mit den Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages auseinander. Bei dieser summarischen Prüfung kam die VK SH zu dem Schluss, dass der Nachprüfungsantrag wohl bereits unzulässig sei, da der Rettungsdienstträger die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB angewendet hatte.

Sachverhalt

Der Rettungsdienstträger hatte unter Anwendung der Bereichsausnahme ein verwaltungsrechtliches Auswahlverfahren unter gemeinnützigen Organisationen über die operative Durchführung des Rettungsdienstes durchgeführt. Da der Träger sowohl die Rettungsmittel als auch die Rettungswachen stellte, beschränkte sich der Beschaffungsbedarf auf eine reine Personalgestellung.

Ein nicht gemeinnütziges Unternehmen wendete sich mit einem Nachprüfungsverfahren gegen die Anwendung der Bereichsausnahme. Der Antragsteller vertrat die Auffassung, der Auftrag werde vom 4. Teil des GWB erfasst und hätte daher in einem europaweiten offenen Verfahren ausgeschrieben werden müssen.

Da sich der Träger im Laufe des Verfahrens dazu entschlossen hatte, die Leistungen im Wege der Eigendurchführung selbst zu erbringen, hob er das Vergabeverfahren auf. In der Folge hatte sich auch das Nachprüfungsverfahren erledigt, sodass die VK SH nicht mehr in der Sache, sondern lediglich über die Kosten des Nachprüfungsverfahren zu entscheiden hatte.

Wird ein Nachprüfungsantrag von beiden Seiten für erledigt erklärt, beschränkt sich die Entscheidung der Vergabekammer inhaltlich auf die Frage, wer die Kosten für den Nachprüfungsantrag zu tragen hat. Maßgeblich für diese Entscheidung ist wiederum die Frage nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Um die Erfolgsaussichten zu ermitteln, führte die VK SH eine sogenannte summarische, letztlich überschlägige und damit keine abschließende Prüfung durch.

Entscheidung der VK

Vorliegend hat sich die VK SH bei dieser summarischen Prüfung mit der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme dennoch relativ eindeutig auseinandergesetzt, indem sie feststellte, dass einiges dafür spreche, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig gewesen sei, weil es an der Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen fehle.

Nach Ansicht der VK SH betraf der gegenständliche Auftrag Leistungen der Gefahrenabwehr im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass vorliegend eine reine Personalgestellung ausgeschrieben wurde, da § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB für alle Dienstleistungen im Bereich der Gefahrenabwehr Anwendung finde und damit auch für die Personalgestellung. Darüber hinaus wurde der Wettbewerb auch auf gemeinnützige Organisationen beschränkt, da nach § 5 Abs. 1 Satz 3 SHRDG eine Organisation dann gemeinnützig sei, wenn sie die Voraussetzungen des § 52 Abgabenordnung erfülle. Dieser Maßstab für die Gemeinnützigkeit sei nach Ansicht der VK SH rechtlich nicht zu beanstanden. Hieran ändere sich auch nichts durch die Europarechtswidrigkeit des letzten Halbsatzes des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, da der EuGH in der Rechtssache Falck ausdrücklich klargestellt habe, dass eine europarechtskonforme Auslegung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB i.V.m. § 52 Abgabenordnung in Betracht komme.

Mit der Frage, ob der Träger auch nach den landesrechtlichen Vorgaben des SHRDG dazu berechtigt war, die Bereichsausnahme anzuwenden, setzt sich die VK SH ausdrücklich nicht auseinander. Zuständig für die Beurteilung, ob die verwaltungsinterne Entscheidung des Trägers nach den Vorgaben des SHRDG zulässig war bzw. ermessensfehlerfrei erfolgt ist, sei das Verwaltungsgericht und nicht die Vergabekammern.

Fazit

Auch wenn es sich in der Sache nur um einen Kostenbeschluss handelt, der die Frage der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme nur summarisch prüft, kann der Entscheidung der VK SH eine doch sehr klare Linie entnommen werden. So scheint die VK SH die Bereichsausnahme in Schleswig-Holstein grundsätzlich für anwendbar zu halten. Ausreichend hierfür ist, dass der Träger den Wettbewerb nach § 5 SHRDG auf gemeinnützige Organisationen im Sinne des § 52 AO beschränkt. Die Entscheidung darüber, ob die Entscheidung des Trägers, die Bereichsausnahme zu nutzen, rechtmäßig war, verortet die VK SH klar beim Verwaltungsgericht und schließt sich damit der Rechtsprechung der VK Hamburg und des OLG Hamburg an. Bemerkenswert ist weiter, dass die VK SH sich in der aufkeimenden Diskussion, ob die Bereichsausnahme auch für reine Personalgestellungen Anwendung findet, sehr deutlich positioniert und klarstellt, dass die Bereichsausnahme für alle Dienstleistungen der Gefahrenabwehr Anwendung finde.

Im Ergebnis ist die Entscheidung der VK SH damit sehr begrüßenswert, weil sie eine klare und rechtlich überzeugende Linie für den Umgang mit der Bereichsausnahme für Schleswig-Holstein zeichnet. Für die Praxis bleibt damit aber – wie auch in Hamburg – die rechtliche Bewertung der konkreten Anwendung der Bereichsausnahme durch die Verwaltungsgerichte abzuwarten.

Autoren: Daniel Bens, Rechtsanwalt, Partner und Martina Hadasch, Rechtsanwältin, Counsel

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