Anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit rechtmäßig
Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) hat am 30.11.2021 in einem Grundsatzurteil (9 AZR 225/11) entschieden, dass die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs rechtmäßig ist, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen. Entsprechend der Reduzierung der Arbeitspflicht reduziert sich also auch der Urlaubsanspruch. Der EuGH hatte bereits 2012 in den verbundenen Rechtssachen C 229/11 und C 230/11 entschieden, dass dies rechtmäßig ist. Jetzt bringt das BAG mit diesem Urteil auch für das deutsche Recht Klarheit.
Das ist insbesondere bedeutsam, da wegen der vierten Coronawelle das Bundeskabinett am 24.11.2021 den erleichterten Zugang zur Kurzarbeit bis zum 31. März 2022 verlängert hat. Das Urteil dürfte daher in dem kommenden Wochen und Monaten eine beachtliche Auswirkung haben.
Geklagt hatte eine Verkaufshilfe in einem Backwarengeschäft gegen ihre Arbeitgeberin. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden. Dies entsprach bei einer vereinbarten Dreitagewoche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen. Aufgrund Arbeitsausfalls durch die Coronapandemie führte die Beklagte Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien eine Kurzarbeitsvereinbarung, wonach 2020 die Klägerin drei Monate vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in zwei weiteren Monaten insgesamt nur an fünf Tagen arbeitet..
Wegen der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle wurde der Urlaub der Klägerin durch die Beklagte neu berechnet und der Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage beziffert. Dagegen klagte die Klägerin mit der Begründung, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Die Kürzung sei daher unberechtigt und es stünden ihr für 2020 weitere 2,5 Urlaubstage zu.
Die Vorinstanz LAG Düsseldorf (6 Sa 824/20) wies die Klage am 12.3.2021 ab. Dagegen richtete sich die erfolglose Revision der Klägerin. Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass nach § 3 Abs. 1 BUrlG sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der rbeit auf 6 Tage in der Woche auf 24 Werktage verteile. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als 6 Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, sei die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechne sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertige eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach deutschem Recht noch nach Europarecht den Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.
In einer weiteren Sache hat der 9. Senat erkannt, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 234/21 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg -, Urteil vom 3. Mai 2021 – 9 Sa 1/21 –
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts.
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