Hintergrund

In Deutschland bedarf jeder, der Versicherungsvermittlung betreibt, einer Erlaubnis nach § 34d GewO. Er muss zusätzlich eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, sich im Vermittlerregister eintragen, sich fortbilden und den Kunden beraten und informieren. Wer jedoch Versicherungsnehmer eines Versicherungsvertrages ist, kann nicht – so jedenfalls bisher die herrschende Meinung unter Verweis auf die Gesetzesbegründung – Versicherungsvermittler seines eigenen Vertrages sein.

Dies wird vielfach genutzt, um ohne Vermittlererlaubnis Versicherungsdeckung im Rahmen einer Gruppenversicherung zu vermitteln: Die Gruppenspitze ist Versicherungsnehmer, die Gruppenmitglieder werden in den Vertrag mit aufgenommen, zahlen eine Vergütung für den Versicherungsschutz an die Gruppenspitze und diese zahlt die Versicherungsprämie (unter Abzug einer einbehaltenen Vergütung) an den Versicherer. Der BGH (Az. I ZR 8/19) hatte jedoch Zweifel, ob es sich hier nicht doch um eine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung handelt. Aus diesem Grund legte er diese Frage am 15. Oktober 2020 dem EuGH zur Entscheidung vor.

Vorlage beim EuGH

Die konkrete Frage war:

„Ist ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, Versicherungsvermittler i.S.v. Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG und Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97?“

Der Generalanwalt des EuGH (zum Az. C‑633/20) vertritt in seinem am 24. März 2022 veröffentlichten Schlussantrag die Ansicht, dass die Gruppenspitze einer Gruppenversicherung, die eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, durchaus „Versicherungsvermittler“ im Sinne der europäischen Richtlinien zur Versicherungsvermittlung ist. Dass die Gruppenspitze gleichzeitig Versicherungsnehmer des Versicherungsvertrages ist, würde dieser Einschätzung nicht entgegenstehen.

Kommentar

Da der EuGH oftmals der Einschätzung des Generalanwalts folgt, ist davon auszugehen, dass die Gruppenversicherungslösung zur Umgehung einer Versicherungsvermittlererlaubnis zukünftig nicht mehr möglich sein wird.

Dem hinter der IDD steckenden Verbraucherschutzgedanken kommt dies sicherlich entgegen.

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