07.06.2018

Entgeltliche Mieterdienstbarkeit erhöht nicht Grunderwerbsteuer

In dem vom Bundesfinanzhof (BFH) im Verfahren II R 55/15 zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob die Bestellung einer Mieterdienstbarkeit durch den Grundstückskäufer Teil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Es war also vom BFH zu klären, ob der Grundstückskäufer durch die Bestellung einer Mieterdienstbarkeit eine sonstige Leistung übernommen hatte, die dann mit dem Kapitalwert der Mieterdienstbarkeit anzusetzen wäre.

In dem Urteilsfall erwarb ein Käufer ein mit einem Lebensmittelmarkt, Kfz-Stellplätzen und einer Tankstelle bebautes Grundstück. In der notariellen Urkunde bestellten die Verkäufer und der Käufer zugunsten der Mieterin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Damit wurde der Mieterin das Recht eingeräumt, das Grundstück durch Einrichtung, Betrieb und Unterhaltung eines Einzelhandelsgeschäfts mit Kundenparkplätzen und einer Tankstelle zu nutzen. Dafür hatte die Mieterin dem jeweiligen Eigentümer statt der Miete ein Entgelt zu zahlen, das sich wegen der Höhe nach dem zwischen dem jeweiligen Eigentümer und der Mieterin geschlossenen Mietvertrag richten sollte. Die Mieterdienstbarkeit sollte mit Beendigung des Mietvertrags erlöschen. Die Mieterdienstbarkeit sollte damit lediglich den schuldrechtlichen Mietvertrag absichern. Der grundsätzliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung während der Festlaufzeit des Mietvertrages sollte durch die Mieterdienstbarkeit auch auf die Fälle einer Insolvenzverwertung oder einer Zwangsversteigerung ausgedehnt werden, da die diesbezüglichen gesetzlichen Sonderkündigungsrechte nach § 57a ZVG und § 111 InsO vertraglich nicht abbedungen werden können. Eine weitergehende Bedeutung hatte die Mieterdienstbarkeit nicht. Sie war eng mit dem Bestand des Mietvertrags verbunden.

Mit seinem Urteil (veröffentlicht am 14.3.2018) verneinte der BFH die Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage. Zwar könne grundsätzlich bei einer Verpflichtung des Grundstückskäufers zur Eingehung eines gegenseitigen Vertrags mit einem Dritten eine Gegenleistung vorliegen. Dies gelte aber dann nicht, wenn sich die Verpflichtungen der Vertragspartner in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen. So war es im Urteilsfall. Der Grundstückskäufer hatte sich im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag nämlich nur gegen angemessenes Entgelt verpflichtet, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bestellen.

Die Entscheidung des BFH bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer dann eintritt, wenn ein unangemessen niedriges Entgelt für die Dienstbarkeit gezahlt werden würde. Die Bestellung einer Mieterdienstbarkeit bezüglich eines bei Grundstückskauf bestehendes oder neu abgeschlossenes Mietverhältnis wäre dann nicht wirtschaftlich ausgewogen. Eine solche Situation könnte sich beispielsweise ergeben, wenn der Verkäufer gesellschaftsrechtlich mit dem Mieter verbunden ist und daher günstige Konditionen für die Mieterdienstbarkeit fordert.

 

Dr. Johannes Stehr
Rechtsanwalt, Steuerberater