Bei Flügen mit Zwischenlandung in einer anderen Stadt oder einem anderen Land kann es vorkommen, dass Passagiere ihren Anschlussflug verpassen. Die Gründe für das Verpassen des Anschlussfluges können vielschichtig sein. Die Verantwortung für das Verpassen des Anschlussfluges muss daher herausgearbeitet werden. In einigen Fällen haben die deutschen Gerichte inzwischen Stellung bezogen, wer für das Verpassen des Anschlussfluges verantwortlich ist. Diese Frage ist relevant für die Frage, ob die Fluggesellschaft eine Entschädigung für das Verpassen des Fluges sowie Betreuungsleistungen zahlen muss.

Verspätet sich beispielsweise der Anschlussflug und wird die Mindestumsteigezeit (die Zeit zwischen der Landung eines Flugzeugs und dem Abflug eines Anschlussfluges, innerhalb derer ein umsteigender Fluggast den Anschlussflug erreichen kann) nicht mehr eingehalten, so trägt das Luftfahrtunternehmen die Beweislast dafür, dass der Fluggast in der konkreten Situation den Anschlussflug noch hätte erreichen können.  Erreicht der Fluggast seinen Flug nicht rechtzeitig, da die Sicherheitskontrolle zu lange gedauert hat, so liegt dies nach herrschender Rechtsprechung nicht im Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens.

In seinem Urteil vom 2. August 2022 hatte das Landgericht Frankfurt am Main auch die Frage zu beantworten, in welchen Verantwortungsbereich das Verpassen des Anschlussfluges fällt (Frankfurt am Main, Ref. 29 C 3633/21 (40).

Sachverhalt

Die Passagiere hatten einen Flug von Menorca über Palma de Mallorca und Madrid nach Frankfurt am Main gebucht. Der Flug von Menorca nach Palma de Mallorca hatte eine Verspätung von 5 Minuten.

In Palma de Mallorca wurde die Mindestumsteigezeit von 30 Minuten gerade noch eingehalten. Der Flug von Palma de Mallorca nach Madrid wurde pünktlich durchgeführt. Der Kläger wurde jedoch nicht mit diesem Flug befördert, da er nicht rechtzeitig zum Einsteigen erschienen war.

Aufgrund des verpassten Fluges wurde der Kläger auf einen Flug am nächsten Tag umgebucht. Da der Kläger die Nacht nicht am Flughafen verbringen wollte, nahm er ein Taxi und fuhr zu einem nahe gelegenen Hotel. Die hierfür angefallenen Kosten wurden im Verfahren als Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geltend gemacht.

Entscheidung

Wie bereits erwähnt, stellte sich in diesem Verfahren die Frage, wer für das Verpassen des Fluges verantwortlich war. Die Mindestumsteigezeit war eingehalten worden, so dass zu klären war, warum die Klägerseite nicht pünktlich zum Boarding erschienen war.

In einer schriftlichen Zeugenaussage gab der Kläger an, dass das Gate nicht erreicht werden konnte, weil der Zeuge das Flughafenpersonal gefragt hatte, wohin er gehen müsse.  Das Personal des Flughafens hatte ihn drauf hin zur Gepäckhalle geschickt. Auf diesem Weg habe er wegen der Pandemiesitation nur bestimmte Wege gehen können. Um welche Art von Flughafenpersonal es sich handelte, wurde nicht näher erläutert.

Nach der so genannten Sphärentheorie des EuGH ist zunächst zu prüfen, ob der Vorfall Teil der normalen Ausübung darstellt und ob dieser tatsächlich vom Luftfahrtunternehmen beherrschbar war.

Der Umstand, dass ein Flughafenmitarbeiter Passagiere in die falsche Richtung schickt, gehört nicht zur normalen Ausübung. Es wurde auch richtig festgestellt, dass der Flughafenangestellte eine dritte Partei war. Ein Luftfahrtunternehmen kann nicht für das Fehlverhalten eines Dritten haftbar gemacht werden, da der Dritte nicht von dem Luftfahrtunternehmen kontrolliert wird.

Die Klage wurde daher abgewiesen.

Kommentar

Interessant an dieser Entscheidung ist, dass das Landgericht die dort vorgenommene Abgrenzung nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-308-21 konsequent umgesetzt hat.

In diesem Urteil hatte der EuGH festgestellt, dass ein Ereignis als von außen kommend gilt, wenn es nicht vom Luftfahrtunternehmen beherrscht werden kann, weil es auf ein Naturereignis oder die Einwirkung eines Dritten zurückzuführen ist.

Eine solche differenzierte Betrachtung wird von Fluggästen und Gerichten oft vergessen. Der Fluggast hingegen wird seine unfreiwillige Nacht in Palma de Mallorca wohl nicht vergessen.

Mit der Welt teilen