Am 27. Mai 2020 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine Auslegungshilfe zur Bestimmung des Versicherungsnehmers bei insbesondere in englischer Sprache abgefassten Versicherungsverträgen.  Die Bestimmung des Versicherungsnehmers ist u.a. im Rahmen der Versicherungssteuer relevant, da sein Sitz in Deutschland die hiesige Versicherungssteuerpflicht auslösen kann. Die Auslegungshilfe ist insbesondere relevant für Versicherungen von Schiffen und Flugzeugen, sowie Verträgen in englischer Sprache.

Hintergrund: Urteil des Finanzgericht Köln

Unter der Spezialvorschrift des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Versicherungssteuergesetz (VersStG) wird die Versicherungssteuerpflicht ausgelöst, wenn:

die Versicherung mit einem EU/EWR Versicherer abgeschlossen wurde und

das Schiff oder das Flugzeug in Deutschland im Register eingetragen ist (im Fall von Versicherungen von Schiffen und Flugzeugen).

Hinsichtlich des letzten Punktes ist es für den Fall, dass das Schiff oder das Flugzeug nicht in Deutschland registriert ist, strittig, ob der Sondertatbestand des § 1 Abs. 2, S.1 Nr. 2 VersStG abschließend gilt und ob ansonsten – z.B. bei Nichteintragung im deutschen Register — die allgemeine Vorschrift des § 1 Abs. 2 S. 2 VersStG anwendbar ist. Bei der allgemeinen Vorschrift wäre dann die Bestimmung des Versicherungsnehmers von Relevanz.

Denn Hauptvoraussetzung der Versicherungssteuerpflicht unter der allgemeinen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG ist, dass sich der Sitz des Versicherungsnehmers, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland befindet.

Jedoch stellen nicht alle Versicherungsverträge auf „Versicherungsnehmer“ ab, insbesondere solche nicht, die in englischer Sprache abgefasst sind; es werden oftmals auch andere Begriffe verwendet, so dass die Bestimmung des Versicherungsnehmers oder einer Person, die einem solchen gleichgestellt ist, nicht einfach ist.

Am 5. Oktober 2017 hatte das Finanzgericht Köln (Az. 2 K 792/16) über den Fall eines englischsprachigen Protection & Indemnity Versicherungsvertrags zu entscheiden, in dem die betreffenden Schiffe nicht in Deutschland registriert waren und erklärte die allgemeine Vorschrift des § 1 Abs. 2 VersStG für anwendbar.

Das Gericht hatte daher zu entscheiden, wer als relevante Person die Versicherungssteuerpflicht auslöste, da die Versicherungspolice nicht auf den Versicherungsnehmer (oder „Policyholder“) abstellte, sondern auf „Members“ und „Co-Assureds“. Das Gericht entschied, dass

der Sitz jedes „Members“ für die Versicherungssteuerpflicht ausschlaggebend sei, sogar dann, wenn das „Member“ nicht der registrierte (Schiffs-)Eigner ist.

In dem konkreten Fall löste nach Ansicht des Finanzgerichts Köln der Sitz eines „Members“ in Deutschland die Versicherungssteuerpflicht in Deutschland aus, da nach dem Versicherungsvertrag alle „Member“ haftbar waren für die Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer, insbesondere auch hinsichtlich der Versicherungsprämienzahlung. Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln hatten die „Member“ daher eine dem Versicherungsnehmer vergleichbare Position.

Diese Entscheidung warf zahlreiche Fragen auf, so unter anderem auch hinsichtlich der – im Lichte der EU-Vorschriften fragwürdigen – Aussage, dass eine Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union zulässig sei.

Insbesondere hinterließ das Urteil jedoch auch viele offene Fragen zur Bestimmung der für die Versicherungssteuerpflicht relevanten Person, vor allem, da das Finanzgericht Köln den Status als Versicherungsnehmer mit nur wenig generell anwendbaren Kriterien bestimmte.

Auslegungshilfe des BMFs

Am 27. Mai 2020 veröffentlichte das BMF nun eine Auslegungshilfe zur Bestimmung des Versicherungsnehmers bei insbesondere in englischer Sprache abgefassten Versicherungsverträgen.

Das BMF stellte fest, dass es in einigen Versicherungsverträgen unklar sei, welche der aufgeführten Parteien der Versicherungsnehmer sei, insbesondere dort, wo die verwendeten Regelungen ungewöhnlich oder nicht präzise genug im Zusammenhang mit der deutschen Rechtspraxis seien.

Nach dem BMF indizieren die folgenden Kriterien, dass die Partei als Versicherungsnehmer angesehen werden sollte:

Die Partei schließt den Versicherungsvertrag im eigenen Namen ab

Die Partei wird als „Policyholder“, „Member“ o.ä. bezeichnet

Die Partei hat eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Versicherer zur Zahlung der Versicherungsprämie

Die Partei hat sich vertraglich verpflichtet, die Versicherungssteuer anzumelden und abzuführen (im eigenen Namen)

Die Partei ist allein anspruchsberechtigt für die Versicherungsleistung

Die Anmeldung und Zahlung der Versicherungssteuer wird unter der eigenen Versicherungssteuernummer der Partei durchgeführt

Hingegen soll nach dem BMF der bloße Einschluss einer Partei in einen Versicherungsvertrag keine Rückschlüsse auf ihre Rolle zulassen.

Folgende Kriterien sollen nach Ansicht des BMFs erkennen lassen, dass eine Partei nicht als Versicherungsnehmer angesehen werden sollte:

Die Partei schließt den Versicherungsvertrag in fremden Namen ab (wobei die relevante Partei nur als Vertreter handelt)

Die Partei wird als „Co-Assured“ bezeichnet

Die Partei haftet höchstens für das Versicherungsentgelt, hat jedoch keine eigene originäre Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsprämie gegenüber dem Versicherer

Die Partei ist im Versicherungsfall nicht oder nur teilweise anspruchsberechtigt hinsichtlich der Versicherungsleistung

Darüber ist das BMF der Ansicht, dass die Motive für den Abschluss des Versicherungsvertrags, wessen Interesse die Versicherung versichert (z.B. Versicherung für fremde Rechnung unter dem Versicherungsvertragsgesetz), und das Behandeln einer Person als faktische Kontaktperson für den Versicherer nicht relevante Aspekte für die Bestimmung als Versicherungsnehmer seien.

Die Folgen der Erfüllung einzelner Kriterien sind unterschiedlich:

Grundsätzlich lässt nur der Abschluss des Versicherungsvertrags im eigenen oder im fremde Namen einen unmissverständlichen Rückschluss auf die Position als Versicherungsnehmer zu. Die anderen Kriterien hingegen sollen am Einzelfall in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Somit führt die Erfüllung eines Kriteriums nicht zwingend zu der Annahme oder Ablehnung des Status des Versicherungsnehmers.

In Fällen, in denen die Partei eine gleiche Anzahl der für als auch gegen eine Eigenschaft als Versicherungsnehmer sprechenden Kriterien erfüllt (non-liquet), soll die Partei nicht als Versicherungsnehmer angesehen werden.

Kommentar

Auch nach der Veröffentlichung des BMFs verbleiben viele offene Fragen im Bereich der Versicherungssteuer in Deutschland. Dies ist insbesondere auch deshalb ein Problem, da die Versicherungssteuer in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch ist.

Dementsprechend wird das Versicherungssteuergesetz derzeit gerade modernisiert, das Gesetzgebungsverfahren soll zum Jahresende 2020 beendet sein. An § 1 Abs. 2 VersStG wird eine Ergänzung beabsichtigt, welche impliziert, dass die allgemeine Vorschrift mit der Voraussetzung des Sitzes des Versicherungsnehmers auf Fälle mit EU / EWG Versicherern und dort, wo das Schiff / das Flugzeug nicht in Deutschland registriert sind, anwendbar ist. Jedoch soll nach derzeitigem Stand keine entsprechende Definition des Versicherungsnehmers ergänzt werden.

Daher ist die Auslegungshilfe des BMFs hochwillkommen, auch wenn diese die Gerichte nicht wie eine gesetzliche Regelung bindet. Es gibt somit nur wenige Kriterien, die zu einer eindeutigen Festlegung des Status als Versicherungsnehmer führen. Dies ist einerseits positiv zu bewerten, da in diesem hochgradig durch Vertragsregelungen geprägten Bereich Interpretationsspielraum benötigt wird, andererseits aber auch negativ, da eine Ungewissheit für die Anwender in nicht unerheblichem Maße verbleibt. Es ist jedoch festzustellen, dass die gröbsten Unklarheiten durch die Festlegung der non liquet Regelung vermieden werden können sollten.

Praxis-Tipp

Versicherer, Versicherte und andere in der Police aufgeführte Parteien sind gut beraten, den Wortlaut der Police mit gehöriger Vorsicht zu gestalten. Dies dürfte durch die Auslegungshilfe umso wichtiger sein.

ILO — International Law Office

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache herausgegeben von und zuerst veröffentlicht auf www.internationallawoffice.com.

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