Das LSG Nordrhein-Westphalen hatte zu entscheiden, ob ein Lkw-Fahrer selbstständig tätig sein kann, wenn ihm kein eigenes Transportfahrzeug zur Verfügung steht.

Sachverhalt

Der Kläger war zeitweise als Lkw-Fahrer für die Beigeladene, ein Transport- und Logistikunternehmen tätig und besaß eine Erlaubnis für den Güterkraftverkehr gemäß § 3 Abs. 2 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG). Seit er für die Beigeladene tätig war, verfügte er jedoch nicht mehr über eine derartige Erlaubnis.

Der beklagte Rentenversicherungsträger stellte bei einer Betriebsprüfung bei der Beigeladenen fest, dass für die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene ein Beschäftigungsverhältnis bestehe, für welches die Versicherungspflicht in der Kranken‑, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Die Beigeladene hatte, um Auftragsspitzen bewältigen zu können, den Kläger im Rahmen von einzelnen Aufträgen beauftragt, Transporte durchzuführen. Hierfür wurden Ihm stets Transportfahrzeuge von der Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Es handelte sich dabei um gemietete, aber auch um eigene Fahrzeuge der Beigeladenen.

Der Kläger wandte sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst auf dem Behördenwege und klagte später gegen den feststellenden Verwaltungsakt.

Entscheidung

Das Landesozialgericht schloss sich der Vorinstanz an und entschied, dass die Feststellung des Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV rechtmäßig war.

Nach dieser Vorschrift können die Träger der Rentenversicherung feststellende Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht in der Kranken‑, Pflege‑, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung erlassen.

Zentraler Begriff für die Rentenversicherungspflicht ist der einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt dieser bei nichtselbständiger Arbeit vor, insbesondere wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind laut Gesetz eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, also die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber.

Ein solches Verhältnis ist insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitgeber ein Weisungsrecht darüber ausüben kann, zu welcher Zeit, zu welcher Dauer, an welchem Ort und in welcher Art die Tätigkeit auszuführen ist. Die abhängige Beschäftigung wird abgegrenzt von einer selbständigen Arbeit, bei welcher der Leistungserbringer über die eigene Arbeitskraft frei verfügt, also im Wesentlichen seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestaltet. Außerdem wird diese geprägt durch das zentrale Element des zu tragenden unternehmerischen Risikos. Die Bewertung ob es sich bei einer Tätigkeit um eine selbständige oder nichtselbstständige handelt soll sich aus einer Gesamtschau dieser Umstände ergeben.

Das Gericht sah die Tätigkeit als Lkw-Fahrer durch den Kläger bei der Beigeladenen nicht als selbständige Tätigkeit an. Es ging davon aus, dass er gleichermaßen dem Weisungsrecht der Beigeladenen unterlag wie die anderen Angestellten, weil durch die Beigeladene bestimmt wurde, welche konkreten Transportaufgaben durch den Kläger mit welchem Fahrzeug wie auszuführen waren, also Ort, Zeit, Dauer und Art.

Außerdem hielt das Gericht ihn auch für entscheidend in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen eingebunden, weil er stets mit Fahrzeugen fuhr, welche die Beigeladene beschafft bzw. bereitgestellt hatte. Auf die Eigentumsverhältnisse kam es dabei nicht an. Laut Gericht hat der Kläger arbeitnehmertypisch lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.

Mit dem spiegelbildlichen Argument hat das Gericht eine selbständige Tätigkeit abgelehnt. Ohne eigenes Fahrzeug liegt, so das Gericht, kein eigenes eingesetztes Kapital des Klägers über seine bloße Arbeitskraft hinaus vor. Damit sah das Gericht keinerlei unternehmerische Risiko beim Kläger. Ein mögliches Insolvenzrisiko der Beigeladenen hätten auch andere Arbeitnehmer gleichermaßen zu tragen.

Kommentar

Das Argument der Weisungsgebundenheit muss im Transportgewerbe nicht auf Anhieb überzeugen. Denn natürlich gibt ein Auftraggeber dem Frachtführer regelmäßig vor, zu welcher Zeit an welchem Ort eine Sendung wie angeliefert werden soll.

In einer Gesamtschau aus dem Grad der Weisungsgebundenheit und betrieblicher Eingliederung ergibt sich aus dieser Entscheidung, dass ein Transportunternehmer ohne Transportfahrzeug nicht nur kein eigenes Kapital einsetzt und somit nicht das verlangte unternehmerische Risiko trägt, sondern auch schlicht nicht dem traditionellen Branchenbild entspricht. Man stelle sich nur einen selbständigen Zimmermann ohne eigenen Hammer vor. Der Unternehmer beschafft in der Regel sein eingesetztes Einsatzmittel selbst und lässt sich dieses nicht von seinem Auftraggeber zur Verfügung stellen. Die Entscheidung verfestigt eine Rechtsprechung, die dieses Jahr auch schon ähnlich vom LSG Hessen (Urt. v. 31.1.2020 — L 8 BA 45/19) und vor wenigen Jahren vom LSG Sachsen (Urteil vom 22.04.2016 — L 1 KR 228/11) betrieben wurde.

Praxis-Tipp

Die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit und insbesondere das Konzept der Scheinselbständigkeit fällt nicht immer leicht und kann sich gerade in Grenzbereichen schwierig gestalten. Aus dem vorliegenden Fall kann als Merksatz für die Praxis dienen:

„Kein Transportunternehmer ohne Transportfahrzeug.“

Unternehmen der Transport und Logistikbranche ist zu raten, diesen Merksatz bei der Auswahl der Beschäftigungsmodelle zu beherzigen. Denn es drohen nicht nur erhebliche Nachzahlungsverpflichtungen von Sozialversicherungsbeiträgen, sondern seit Mitte 2019 sogar Bußgelder bis zu einer Höhe von 50.000 Euro. Für die verantwortlichen Personen kann bei vorsätzlichem Handeln sogar eine Strafbarkeit gemäß § 266a StGB gegeben sein, welche mit Geld- oder sogar Freiheitsstrafe bewehrt ist.

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