Das ArbG Hamburg hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Rechtsfolgen ein formwidrig geschlossener Heuervertrag nach sich zieht. Es entschied, dass das Schriftformerfordernis des § 28 Abs. 1 SeeArbG rein deklaratorisch wirkt. Ein Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Heuervertrages.

Sachverhalt (vereinfacht)

Der Kläger fuhr als 3. Nautischer Offizier an Bord eines Containerschiffs unter deutscher Flagge zwischen Asien und Europa. Vor Dienstbeginn hatte der Kläger einen von Seiten der Reederei unterzeichneten Heuervertrag per Mail erhalten. Er unterzeichnete den ausgedruckten Heuervertrag und händigte ein Original an Bord aus. Die Reederei kündigte in der Folgezeit das Heuerverhältnis. Hiergegen legte der Kläger Kündigungsschutzklage ein.

Entscheidung des Gerichtes

Das ArbG Hamburg gab der Kündigungsschutzklage statt. Von besonderem Interesse sind dabei die Ausführungen des Gerichts zu der umstrittenen Frage, ob der Heuervertrag gemäß § 28 Abs. 1 S. 4 SeeArbG in Verbindung mit § 125 BGB formnichtig war, also ein Heuerverhältnis mangels wirksamen Vertragsschlusses nicht bestand. Das Gericht verneinte diese Frage.

Zwar unterliege der Heuervertrag einem gesetzlichen Schriftformerfordernis und führe die Nichteinhaltung der Schriftform grundsätzlich gemäß § 125 BGB zur Nichtigkeit. Ebenso wie ein entsprechend auszulegendes tarifvertragliches Schriftformgebot habe die Formvorschrift des § 28 Abs. 1 S. 4 SeeArbG jedoch keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung. Diese Auslegung gebiete der Schutzzweck des § 28 Abs. 1 SeeArbG, der das Besatzungsmitglied schütze. Andernfalls werde das Besatzungsmitglied wegen des Verlustes des Kündigungsschutzes schlechter gestellt als die Arbeitnehmer an Land.

Bedeutung für die Seeschifffahrt

Die Ausführungen des ArbG Hamburg sind für die Praxis der Seeschifffahrt von erheblicher Bedeutung. Wären die Heuerverträge formnichtig, verlören die Seeleute mangels bestehenden Heuerverhältnisses ihren Kündigungsschutz. Sie könnten jederzeit entlassen werden. Die Reeder wären spiegelbildlich in ihrer personalen Planungssicherheit bedroht, da auch die Seeleute ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist jederzeit das Heuerverhältnis beenden könnten.

Kommentar

Das Urteil des ArbG Hamburg ist im Ergebnis zu begrüßen, weil es den Heuervertragsparteien eine größtmögliche Rechtssicherheit bieten will. Gestützt wird die Auslegung des Gerichts von einigen Stimmen in der juristischen Literatur, die ebenfalls eine deklaratorische Wirkung der Schriftform befürworten.

Die Begründung des Gerichts überzeugt indes nicht. Es stützt sich maßgeblich auf den Schutzzweck der Formvorschrift. Laut Gesetzesbegründung dient § 28 Abs. 1 SeeArbG in der Tat dem Schutz vor übereilten Vertragsschluss (BT-Drs. 17/10959, S. 73). Das Besatzungsmitglied, das unbedacht seine Zustimmung zum Heuervertrag per Mail oder gar mündlich mitteilt, soll nicht an den Heuervertrag gebunden sein. Diese Wirkung erreicht das Gesetz über die Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB. Nach Ansicht des ArbG Hamburg, das die Frage aus dem Blickwinkel des Kündigungsschutzes zu betrachten hatte, war das Besatzungsmitglied hingegen an den formwidrigen Heuervertrag gebunden. Die Auslegung des Gerichts führt also zum genauen Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber laut Gesetzesbegründung bezweckte.

Es ist sehr zweifelhaft, ob eine hinreichend klare gesetzliche Anordnung des Gesetzgebers vorliegt, von der Formnichtigkeit des Heuervertrages gemäß § 125 BGB abzuweichen. Dass und weshalb das Prinzip der Gewaltenteilung den Gerichten bei der Auslegung von Gesetzesbestimmungen Grenzen zieht, verdeutlicht etwa die rechtspolitische Diskussion um die Reform der Formvorschrift für befristete Mietverträge (§ 550 BGB) nur allzu gut.

Dabei wäre die Formnichtigkeit des Heuervertrages mitnichten ein „Game Changer“. Seit Jahrzehnten kennt die Rechtsprechung das Instrument des faktischen oder fehlerhaften Arbeitsverhältnisses. Beide Vertragsparteien werden vor den Rechtsfolgen einer Formnichtigkeit geschützt. Das nicht bestehende Heuerverhältnis muss nicht rückabgewickelt werden, sondern wird für die Dauer der tatsächlichen Inanspruchnahme der Dienste des Besatzungsmitglieds gewissermaßen fingiert.

Das Besatzungsmitglied verliert auch nicht zwingend seinen Kündigungsschutz. So wird es in der Regel treuwidrig sein, wenn sich der Reeder auf die durch ihn verursachte mangelnde Schriftform in einem Gerichtsprozess beruft. Gleichwohl – und das mag das ArbG Hamburg abgeschreckt haben – wäre dies stets eine Frage des Einzelfalls.

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