Hunderte von Schiffen werden jedes Jahr unter umstrittenen Bedingungen abgewrackt. Internationale Bemühungen zur Verbesserung der Abwrackbedingungen haben zum Abschluss der sogenannten Hong Kong Konvention („Hong Kong International Convention for the Safe and Environmentally Sound Recycling of Ships, 2009“) durch die Mitglieder der IMO (Internationale Seeschifffahrts-Organisation) geführt. Da die Hong Kong Konvention für Ihr Inkrafttreten bislang nicht von genügend Staaten ratifiziert wurde, entschloss sich die EU zum Erlass der neuen Schiffsrecycling-Verordnung bereits vor Inkrafttreten der Hong Kong Konvention.

Die EU-Verordnung

Wie bereits oben kurz dargestellt, setzt die EU-Schiffsrecycling-Verordnung grundlegend die Inhalte der (noch nicht ratifizierten) Hong Kong Konvention um. Die EU-Verordnung regelt unter anderem, dass das Abwracken von Schiffen nur noch auf zertifizierten und gelisteten Werften nach besonders zertifizierten Verfahren erfolgen darf. Ziel soll die Vermeidung und Verminderung von Unfällen, Verletzungen und Umweltschäden beim Abwracken von Schiffen sein.

Die EU-Schiffsrecycling-Verordnung ist anwendbar auf alle „Schiffe“ – sprich Wasserfahrzeuge jeder Art die in der Meeresumwelt eingesetzt werden oder eingesetzt wurden. Ausgenommen sind lediglich Kriegsschiffe, Schiffe von unter 500 Tonnen und Schiffe, die während des gesamten Lebenszyklus nur in Gewässern eines Staates betrieben werden und dessen Flagge führen. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, wenn ein Schiff entweder eine EU-Flagge führt oder seine letzte Fahrt zum „Abwracken“ aus einem EU-Gewässer antreten soll.

Hinweis

Das vorherige, kurzfriste Verbringen eines zum Abwracken bestimmten Schiffes aus den Gewässern der EU oder ein Umflaggen eines solchen Schiffes mit dem Ziel den strengen Vorgaben der EU-Verordnung über das Recyceln von Schiffen zu entgehen, kann (und wurde auch bereits) als Umgehung bewertet und kann zur Strafbarkeit aller beteiligten Parteien führen (z.B. Eigner, Charterer, Makler, Versicherer).

Haftung bei Verstößen gegen die EU-Schiffsrecycling Verordnung

Für die Frage der Haftung bei Verstößen gegen die EU-Schiffsrecycling Verordnung ist das deutsche Recht im Kontext mit europäischem und anderem internationalen Recht zu sehen. Die EU-Verordnung selbst sieht keine Strafbewährung vor. Da bisher auch noch keine Umsetzung der Verordnung in deutsches Recht erfolgt ist, es somit noch keine nationalen Durchsetzungsbestimmungen gibt, gilt für die Frage der Haftung und Strafbarkeit bei Verstößen gegen die Schiffs-Recycling Verordnung zunächst nur allgemeines deutsches Zivil- und Strafrecht, soweit dieses den gleichen Schutzbereich wie die Verordnung hat. Das Zivilrecht und das Strafrecht können hierbei nebeneinander betrachtet werden.

Der Erlass eines Umsetzungsgesetzes für die EU-Verordnung zum Schiffsrecycling ist bis Ende 2020 geplant.

Strafrechtliche Haftungsrisiken

Das deutsche Strafrecht ist primär anwendbar für Taten, die im Inland begangen werden. Mögliche Straftatbestände für natürliche Personen sind unter anderem § 326 StGB und § 330 StGB.

§ 326 StGB (Unerlaubter Umgang mit Abfällen) erfasst z.B. die Verwertung und Beseitigung von Abfällen – hier das zum abwracken bestimmte Schiff — außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage. Erfasst sein dürfte zudem das Makeln mit einem solchen Schiff. Ein Verstoß gegen § 326 StGB wird mit Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft.

§ 330 StGB bestraft besonders schwere Fälle von Umweltstraftaten. Ein solcher schwerer Fall einer Umweltstraftat, z.B. von § 324 StGB (Gewässerverunreinigung), § 324 a StGB (Bodenverunreinigung) oder § 326 StGB liegt unter anderem dann vor, wenn

die Beseitigung der Beeinträchtigung nur mit außerordentlichem Aufwand / nach langer Zeit erfolgen kann,

aus Gewinnsucht gehandelt wurde oder

ein anderer Mensch in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird.

Ein Verstoß gegen § 330 StGB wird mit Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft.

Nur ausnahmsweise ist darüber hinaus deutsches Strafrecht auch bei Auslandstaten gegenüber natürlichen Personen anwendbar. Dies ist nach § 7 StGB dann der Fall, wenn der Täter Deutscher iSv. Art 116 Abs. 1 GG ist und die Tat am Tatort selbst mit Strafe bedroht ist. Eine solche Strafbewährung im Ausland findet sich zum Beispiel in Indien, Bangladesch oder Singapur, da u.a. von diesen Ländern die Basel Convention ratifiziert wurde. Singapur sieht für Umweltstraftaten gem. Basel Convention (unter die auch das unsachgerechte Abwracken von Schiffen fällt) eine Strafbewährung von bis zu $ 300,000 für Gesellschaft von bis zu $ 100,000 und/oder Haftstrafe von maximal 2 Jahren für natürliche Personen vor.

Hinweis

Der Geschäftsführer eines Unternehmens wird nicht dadurch geschützt, dass sein strafbares Handeln auf der Umsetzung eines Beschlusses der Gesellschaft beruht. Er hat stets selbst zu prüfen, ob sein Handeln rechtswidrig ist und im Zweifel dafür selbst einzustehen.

Juristische Personen können lediglich mittelbar über das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) bestraft und verfolgt werden. § 9, 30 OWiG stellt strafbares Handeln eines Geschäftsführers und die dadurch bedingte Bereicherung der Gesellschaft (diese kann auch durch eine Ersparnis erfolgen) unter Strafe. Bei einem Verstoß gegen § 9, 30 OWiG wird die Gesellschaft mit Geldbuße von bis zu EUR 10 Millionen für vorsätzliches Handeln und bis zu EUR 5 Millionen für fahrlässige Taten bestraft.

Zivilrechtliche Haftungsrisiken

Neben der strafrechtlichen Haftung kann ein Verstoß gegen die EU-Verordnung über das Recyceln von Schiffen auch nach deutschem Zivilrecht zur Haftbarkeit führen. In Betracht kommt hier unter anderem eine Haftung nach § 43 II GmbHG (Schadensersatzplicht des Geschäftsführers wegen Pflichtverletzung gegenüber der KG) und § 280 I BGB (allgemeiner Schadensersatzpflicht gegenüber der Eignergesellschaft wegen Pflichtverletzung).

Ein Schaden entsteht der Eigner-KG hier zum Beispiel durch die Verurteilung zur Zahlung einer Geldstrafe für einen Verstoß gegen die EU-Schiffsrecycling Verordnung. Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers ist in der Nichteinhaltung von Vorschriften des Straf- und Ordnungswidrigkeitsrechts zu sehen. Das rechtswidrige Verhalten eines Geschäftsführers im Außenverhältnis stellt nach ganz herrschender Meinung zugleich eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis zur Eigner-KG dar.

Die Organstellung als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH hat drittschützende Wirkung gegenüber der Kommanditgesellschaft, die hieraus wiederum entsprechende Rechte — wie einen Schadensersatzanspruch — ableiten kann. Die zumindest wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH besteht in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft und erstreckt sich somit über den Schutzbereich des § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft.

Jedoch kann das Schutzbedürfnis der Kommanditgesellschaft dann nicht angenommen werden, wenn sämtliche Gesellschafter der Eigner-KG mit dem Handeln des Geschäftsführers einverstanden waren. Ebenso wie ein verbindlicher Weisungsbeschluss schließt auch ein Einverständnis (gleichbedeutend mit einer Billigung) sämtlicher Gesellschafter mit der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme eine haftungsbegründende Pflichtverletzung aus. Die Billigung muss nicht in Gestalt eines förmlichen Billigungsbeschlusses erfolgen, sondern kann auch stillschweigend erklärt werden.

Ausblick Schiffsrecycling

Wie bereits in einigen Fällen im Ausland im Zusammenhang mit der EU Waste Shipment Regulation geschehen (vgl. SEATRADE-Fall), ist mit harten Strafen bei Verstößen gegen die EU-Schiffsrecycling Verordnung zu rechnen. Im SEATRADE-Fall wurden Geldstrafen von EUR 750.000,- gegenüber der Eignergesellschaft sowie Berufsverbote für Geschäftsführer von 1 Jahr verhängt. Einer Haftstrafe entgingen die Geschäftsführer hier nur aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Ihnen um Ersttäter gehandelt hat.

Rechtsklarheit über den genauen Umfang der Straf- und Haftungstatbestände der EU-Schiffsrecycling Verordnung und deren Ausmaß wird es jedoch erst mit der Umsetzung der EU-Verordnung in nationales Recht – also nationale Durchsetzungsbestimmungen – geben. Es ist zu erwarten, dass die Durchsetzungsbestimmungen, vergleichbar mit dem Abfallverbringungsgesetz als Umsetzung der EU Waste Shipment Regulation, Anlehnung an Deutsches Strafrecht finden werden. Weiter ist damit zu rechnen, dass es Regelungen zu Umgehungstatbeständen wie z.B. dem Umflaggen aus einer EU-Flagge in eine Nicht-EU-Flagge vr dem Abwracken oder dem Verbringen des zum Abwracken bestimmten Schiffes vor Verschrottung aus einem EU-Hafens erlassen werden.

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