In diesem Beitrag wird kurz das Gesetz zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Rahmen der COVID-19 Pandemie (COVInsAG) vorgestellt und mit Erläuterungen verbunden, warum dieses neue Gesetz Unternehmen nicht davon abhalten sollte eine Sanierungsmöglichkeit mit Hilfe des deutschen Insolvenzrechts rechtzeitig in Erwägung zu ziehen, insbesondere unter der Berücksichtigung von Airline Insolvenzen im Eigenverwaltungsverfahren.

COVID-19-Pandemie und die Auswirkungen auf den Luftverkehr

Die Folgen der COVID-19-Pandemie wirken sich auf viele Unternehmen wirtschaftlich sehr nachteilig aus, u.a. insbesondere auf die Luftfahrtunternehmen, da diese ihren Flugbetrieb entweder ganz oder doch zum größten Teil über einen längeren Zeitraum einstellen mussten. Von den 763 in der Lufthansa-Gruppe betriebenen Flugzeugen standen im April und Mai ca. 700 am Boden — es wurden also nur noch etwa 5% der Flotte für Flüge eingesetzt. Aufgrund dessen haben die Luftfahrtunternehmen in dieser Zeit kaum noch bzw. keine Einnahmen, aber erhebliche Kosten gehabt. Denn aufgrund der hohen Anschaffungskosten sind die meisten Flugzeuge entweder finanziert oder geleast, so dass jeden Monat recht hohe Zahlungen für Kredite oder Leasingraten anfallen. Zudem muss auch ein geparktes Flugzeug weiterhin gewartet und es müssen Rücklagen für umfangreichere Wartungsereignisse gebildet werden, die nach einem gewissen Zeitablauf fällig werden. Von daher sind aktuell viele Luftfahrtunternehmen von der Insolvenz bedroht.

COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz

Am 27.3.2020 wurde vom Bundestag das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) beschlossen und ist gemäß seines § 6 Abs. 1 mit Wirkung vom 1.3.2020 in Kraft getreten.

Denn üblicherweise sind die Vertretungsorgane von juristischen Personen gemäß § 15a InsO verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Wird ein  Insolvenzantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig gestellt, können die verantwortlichen Personen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr (bei Fahrlässigkeit) und bis zu 3 Jahren (bei Vorsatz) bestraft werden (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO).

Das COVInsAG setzt die Insolvenzantragspflicht zunächst bis zum 30. September 2020 aus (die Frist kann aber bis spätestens zum 31 März 2021 verlängert werden, siehe § 4 COVInsAG).

Die Aussetzung gilt allerdings nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Diesbezüglich stellt jedoch § 1 COVInsAG eine Vermutungsregel auf:

„War der Schuldner am 31 Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“

Damit erleichtert der Gesetzgeber die Prüfung ganz erheblich, wenngleich eine zumindest kursorische Analyse auch weiterhin stattzufinden hat. So ist zu prüfen, ob aufgrund anderweitiger Einflüsse die Insolvenz ohnehin verursacht worden wäre bzw. eine künftige Beseitigung der Insolvenzreife nicht mehr erwarten lassen.

Zudem sind auch Gläubigeranträge, die zwischen dem 28.3.2020 und dem 28.6.2020 gestellt werden, unzulässig, wenn der Insolvenzantragsgrund nicht bereits am 1. März 2020 vorlag (siehe § 3 COVInsAG).

Ferner beinhaltet das neue Gesetz in § 2 COVIsnAG u.a. folgende Änderungen:

Das Auszahlungsverbot für die Organe von Kapitalgesellschaften ist aufgehoben, insbesondere wenn die Zahlungen den Geschäftsbetrieb sicherstellen bzw. der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.

Die Bereitstellung sowie die Besicherung von Darlehen zur Beschaffung frischer Liquidität bleibt trotz Insolvenzreife möglich, wird nicht als sittenwidrig angesehen und ist nicht anfechtbar, sofern die Rückzahlung bis zum 30. September 2023 erfolgt. Gleiches gilt für Darlehen der Gesellschafter und Beiträge, die solchen entsprechen, nicht aber für die Besicherung von Darlehen durch die Gesellschafter.

Nicht vertragskonforme Vorgehensweisen bei der Befriedigung oder Sicherung von Ansprüchen für Sanierungs- oder Finanzierungszwecke sind nicht anfechtbar.

Keine Entlastungen sieht das Gesetz für laufende Insolvenzverfahren vor.

Sanierungsmöglichkeiten mit Hilfe des deutschen Insolvenzrechts 

Unabhängig von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollte dieses neue Gesetz Unternehmen, die aufgrund von COVID-19 in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, nicht davon abhalten eine Sanierungsmöglichkeit mit Hilfe des deutschen Insolvenzrechts rechtzeitig – und nicht erst nach Ablauf der im COVInsAG genannten Frist – zu prüfen und eventuell doch vor Ablauf der Frist einen Insolvenzantrag stellen. Denn bestimmte Insolvenzverfahren sind u.U. zu einem späteren Zeitpunkt – aufgrund der verschlechterten Prognose für eine Restrukturierung — nicht mehr möglich.

So gibt es z.B. das Eigenverwaltungsverfahren gemäß §§ 270 – 285 InsO. Der Schuldner ist in einem solchen Verfahren berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters, weiterhin die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorschriften, soweit in den §§ 270 ‑285 InsO nichts anderes bestimmt ist.

Zur Vorbereitung der Sanierung des Unternehmens kann auch ein sog. Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO beantragt werden, welches die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Vorverfahren ermöglicht. Ob ein Schutzschirmverfahren für das Unternehmen tatsächlich Vorteile bietet, muss aber von Fall zu Fall entschieden werden.

Das Eigenverwaltungsverfahren (ob mit oder ohne Schutzschirm) bietet auf jeden Fall folgende Vorteile:

der Staat zahlt die Vergütung der Mitarbeiter für 3 Monate ab Insolvenzantragstellung (sog. Insolvenzgeld),

das Management bleibt bestehen,

es können langfristige ungünstige Verträge beendet werden.

Weil im Eigenverwaltungsverfahren anders als im herkömmlichen Insolvenzverfahren, das Management des Unternehmens viel Einfluss behält, erlaubt das Gesetz ein solches Verfahren nur zu Beginn einer wirtschaftlichen Schieflage. Wenn ein Unternehmen in der gegenwärtigen Situation erst einmal die staatlichen geförderten Kreditprogramme in Anspruch nimmt und seine Vermögenswerte den Banken überlässt, aber nach ca. einem halben Jahr merkt, dass damit eine Sanierung nicht möglich ist, könnte es für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bereits zu spät sein. Deshalb sollte rechtzeitig geprüft werden, ob ein solches Verfahren für die Restrukturierung des Unternehmens sinnvoll sein kann.

Beispiele von Eigenverwaltungsverfahren im Bereich von Airline Insolvenzen

Die Air Berlin hatte bei Insolvenzantragstellung ein Eigenverwaltungsverfahren beantragt. Dies wurde vom Insolvenzgericht für das vorläufige Vorfahren auch genehmigt. Allerdings dauerte die Eigenverwaltung nur die 3 ½ Monate bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und diente wohl hauptsächlich der Durchführung des Sommerflugplans bis zum Ende der Saison, damit nicht Tausende von Urlaubern an ihren Urlaubsorten „sitzen blieben“. Denn der Insolvenzantrag wurde in der Sommerferienzeit, Mitte August 2017, gestellt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang November 2017 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben und der bisher als (vorläufiger) Sachwalter fungierende Dr. Flöther bekam die Stellung eines Insolvenzverwalters.

Auch Condor beantragte ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Ende September 2019) und zudem ein sog. Schutzschirmverfahren zur Begründung von Masseverbindlichkeiten bereits im Vorverfahren. Wie Air Berlin erhielt Condor einen staatlichen Kredit zur Überbrückung des finanziellen Engpasses. Anders als Air Berlin hätte Condor aber auch fast die Restrukturierung im Rahmen eines Insolvenzplans geschafft. Der Insolvenzplan hatte  bereits die Zustimmung der Gläubiger erhalten und wurde auch vom Insolvenzgericht bestätigt. Der darin festgelegte Verkauf an den neuen Investor (die Muttergesellschaft des polnischen Luftfahrtunternehmens LOT), der zum Abschluss des Insolvenzverfahrens geführt hätte, wurde nur deshalb nicht vollzogen, weil der Investor – im Rahmen der COVID-19 Pandemie — von dem vereinbarten Kaufvertrag (ob zu Recht oder zu Unrecht) zurücktrat. Das Insolvenzverfahren der Condor läuft weiterhin in Eigenverwaltung und die Bundesregierung hat der Condor einen weiteren Kredit zur Unterstützung und zur Refinanzierung des ersten Kredits (der eigentlich am 15 April 2020 hätte zurückgezahlt werden müssen) gewährt.

Während der Verhandlung des staatlichen Rettungspakets für die Lufthansa, hat auch diese mehrere Male verlautbaren lassen, dass sie u.U. ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung einem staatlichen Rettungspaket (mit zu viel staatlichem Einfluss und der Abgabe von Slots) vorziehen würde.

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