Hintergrund

BIMCO hat im letzten Jahr seine eigene Version eines Musterkaufvertrages für Schiffe herausgebracht und fast zeitgleich die Kosten für die bisher im Markt fast ausschließlich verwendete NSF 2012 (Norwegian Sales Form), ebenfalls abrufbar über die Webseite von BIMCO, erheblich erhöht. Will BIMCO, die das Urheberrecht an der SHIPSALE 2022 halten, damit die NSF 2012, an der die Norwegian Shipbrokers‘ Association alle Rechte hält, vom Markt verdrängen? Oder war es nach 10 Jahren an der Zeit, Rechtsentwicklungen in der englischen Judikatur umzusetzen, neue geopolitische Gegebenheiten wie den Krieg in der Ukraine von rechtlicher Seite aus zu beleuchten und auch die Herausforderungen einer globalen Krise (Stichwort Covid-19) rechtssicherer begegnen zu können, um am Ende einen neuen Standard zu setzen?

Entworfen wurde die SHIPSALE 22 von Branchenexperten aus der Praxis (wie Schiffsmakler) und Wissenschaft (Anwälten). BIMCO verfolgte nach eigner Aussage das Ziel einer klareren und den schon bekannten anderen BIMCO Verträgen angepassten Gestaltung unter Einhaltung einer gewissen Chronologie einer Schiffstransaktion, um damit eine Alternative zu den bereits im Markt bekannten Musterkaufverträgen zu geben, ohne dabei „das Rad komplett neu zu erfinden“ und so den Nutzern eine gewisse Vertrautheit zu geben.

Neuheiten

Was ist also neben dem neuen Aufbau in einen Teil 1 (praktisch ein Deckblatt mit allen wichtigen und variablen Daten) und einem Teil 2 (die rechtlichen Regelungen) grundlegend neu?

Die SHIPSALE 22 enthält nunmehr:

  • Bestimmungen, die die moderne Praxis widerspiegeln, wie z.B.
    • die Möglichkeit eines virtuellen Closings und
    • die elektronische Unterzeichnung des Vertrages (Kl. 27).

Beides Dinge, die in den letzten Jahren als Folge der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Sperren und Komplikationen gängige Praxis geworden sind.

  • Klauseln zu
    • Höherer Gewalt im Zahlungsfluss (Kl. 5.(e)) und
    • Korruptionsbekämpfung (Kl. 22).

Beides an den Gegebenheiten im globalen Umfeld in tatsächlicher und politischer Hinsicht orientierte Neurungen.

  • Klauseln, wie sie oft in der NSF 2012 eingearbeitet wurden, wie
    • die Benennung von Garantiegebern des Verkäufers und Käufers (Boxen 5 und 6),
    • die Auslagerung der Excluded Items in eine separate Liste (hier Annex B),
    • zu aufschiebenden Bedingungen (Subjects, Kl. 4),
    • die UWI nicht mehr als Option, sondern als Standard zu etablieren (Kl. 8),
    • die Durchführung eines Joint Survey für die Bunker und Öle die beim Verkauf mit übergeben werden (Kl. 13(a)),
    • die Auslagerung der Übergabedokumentation in ein Addendum zum Kaufvertrag (hier Annex A, Kl. 15),
    • der Ausschluss von Rechten nach einem Total Loss (Kl. 20.(b) letzter Halbsatz),
    • Sanktionen (Kl. 21) und
    • Vertraulichkeit (Kl. 23).

Alles Erleichterungen für die Vertragsgestalter um keinen wichtigen Aspekt zu vergessen und für die Anwender da diese Neuerungen bzw. Anpassungen nunmehr im logischen Kontext des Vertrags eingearbeitet sind und nicht wie sonst des Öfteren üblich als sog. Riderclauses am Ende der NSF 2012 auftauchen.

Fazit

In den ersten Jahren nach der Veröffentlichung der NSF 2012 zögerte man, die sich bis dahin durchgesetzte, bewährte und bekannte NSF 1993 zu ersetzen, obwohl diese reichlich Mängel aufwies. Selbst heute sehen wir vereinzelt noch dieses alte Vertragsmuster. Ob dies an der teilweise konservativen Schifffahrt liegt kann nur vermutet werden. Die NSF 2012 hat sich aber schließlich doch im Markt durchgesetzt und wir gehen davon aus, dass dies auch mit der SHIPSALE 22 passieren wird, zumal der Aufbau durch andere Musterverträge wie der BARECON 2017 vertraut ist und im Ergebnis (geschätzte) 90-95% aus der NSF 2012 übernommen wurden. Die Anpassungen die erfolgt sind haben nicht nur ihre Berechtigung, sondern werden aller Voraussicht nach Unklarheiten vermeiden und dadurch Rechtssicherheit schaffen. Wir bei ASD hatten diese Änderungen meist schon in die alte NSF 2012 übernommen, was uns nun erspart bleibt. Dies spart allen beteiligten Zeit und Geld.

Die SHIPSALE 22 behebt viele Mängel der NSF 2012, insbesondere derjenigen, die typischerweise von den Parteien geändert wurden. Käufer und Verkäufer haben sich jedoch an die Verwendung der NSF 2012 gewöhnt und viele Reedereien, Makler und Anwälte haben ihre eigene angepasste Version der NSF 2012, die sie in den letzten 10 Jahren entwickelt haben. Die Praxis zeigt uns, dass trotz der Veröffentlichung der SHIPSALE 22 weiterhin fast ausschließlich mit der NSF 2012 gearbeitet wird. Wir gehen davon aus, dass dies auch für die nächste Zeit erst einmal so bleiben wird.

Wir bei ASD haben uns bereits eingehend mit der neuen SHIPSALE 22 befasst und können gerne beratend tätig werden. Durch unsere Mitgliedschaft bei BIMCO sind wir ferner in der Lage, nicht nur die SHIPSALE 22 (und natürlich auch andere BIMCO Verträge) schnell anzupassen, sondern auch bereits erstellte Verträge weiter zu verarbeiten. Schließlich profitieren unsere Mandanten von unser jahrelangen Expertise und praktischen Erfahrung bei Schiffstransaktionen und der Kenntnis des Marktes.

Mit der Welt teilen