Insolvenzen von Airlines ist in den letzten Jahren immer wieder ein brisantes Thema. Insbesondere durch die Folgen von Corona (Covid 19) ist es auch gerade wieder hoch aktuell. In einem zweiteiligen Beitrag sollen die wichtigsten Besonderheiten bei Airline Insolvenzen in Deutschland behandelt werden.

Im ersten Teil zu Airline Insolvenzen wurden folgende Themen angesprochen:

  • das anwendbare Recht und der Verfahrensstandort bei Konzerngesellschaften, denn bei vielen Airlines handelt es sich um zusammengeschlossene Unternehmen;
  • Luftfahrzeug Leasing, da bei kleineren Airlines die meisten und auch bei großen Luftfahrtunternehmen meistens ein nicht geringer Teil der Luftfahrzeuge geleast ist;
  • Pfandrechte an Luftfahrzeugen, weil Luftfahrzeuge aufgrund ihrer hohen Anschaffungskosten oft fremd finanziert werden müssen.

In diesem zweiten Teil werden nunmehr folgende Themen behandelt:

  • Triebwerke, die relativ leicht und oft von den Flugzeugen getrennt und ausgetauscht werden und daher einer anderen Person als dem Eigentümer der Flugzeugzelle gehören können, die aber an sich auch bereits einen erheblichen Wert haben;
  • luftrechtliche Lizenzen (Betriebsgenehmigung und AOC), die ein Luftfahrtunternehmen für den kommerziellen Betrieb genötigt, die aber vom LBA bei finanziellen Problemen widerrufen oder ausgesetzt werden können;
  • Eurocontrol-Gebühren, die bei Nichtbezahlung u.U. in England zu einer Beschlagnahme des Flugzeugs führen können; sowie
  • Slots, die in Bezug auf bestimmte Flughäfen und Zeiten einen erheblichen Wert darstellen, die jedoch verfallen, wenn sie nicht in einem gewissen Umfang in einer Flugplanperiode genutzt wurden.

Luftfahrzeug Triebwerke

Triebwerke von Verkehrsflugzeugen haben bereits für sich genommen einen hohen wirtschaftlichen Wert. Zudem werden sie aufgrund von Wartungsarbeiten regelmäßig ausgetauscht, um Stillstandzeiten der Flugzeuge zu vermeiden. Aufgrund dieser Praxis werden Flugzeugtriebwerke in Deutschland als einfache Bestandteile oder Zubehör eines Flugzeugs angesehen und sind daher sonderrechtsfähig.

Nach deutschem Recht können Triebwerke ohne Änderung der Eigentumsverhältnisse vom Flugzeug vorübergehend getrennt werden, ohne dass das Eigentumsrecht an den Triebwerken erlischt.

Andererseits muss sich wegen der Sonderrechtsfähigkeit von Flugzeugtriebwerken das Eigentum an einem Luftfahrzeug nicht auf die installierten Triebwerke erstrecken. Somit ist es möglich, dass eine andere Person ein Recht auf Aussonderung von der Insolvenzmasse in Bezug auf die oder eines der am Flugzeug installierten Triebwerke geltend machen kann. Die Rechtsstellung des zur Aussonderung eines Flugzeugtriebwerks Berechtigten unterscheidet sich jedoch von der eines zur Aussonderung eines Luftfahrzeugs Berechtigten. Denn ein separates Triebwerk unterliegt nach deutschem Insolvenzrecht dem Vollstreckungsverfahren für bewegliches Vermögen, da es (anders als ein Flugzeug) als beweglicher Gegenstand gilt. Von daher kann ein separates Triebwerk während des vorläufigen Insolvenzverfahrens von den vorläufigen Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO (Vollstreckungsmoratorium) betroffen sein.

Darüber hinaus fällt ein reiner Triebwerks-Leasingvertrag nicht in den Anwendungsbereich der §§ 108, 109 InsO (die nur für das Leasing von unbeweglichen Gegenständen gelten), sondern in den von § 103 InsO. Üblicherweise steht dem Leasingnehmer vor Vertragsablauf kein Kündigungsrecht eines Flugzeugleasingvertrages zu. Der Insolvenzverwalter hat aber gemäß § 109 Abs. 1 S.1 InsO eine privilegierte Kündigungsmöglichkeit, den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen, soweit nicht eine kürzere Frist gilt. In einem solchen Fall kann der Lessor nach § 109 Abs. 1 S. 3 InsO wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung Schadenersatz verlangen, allerdings nur als Insolvenzgläubiger.

Befinden sich die Triebwerke im Eigentum des Flugzeugeigentümers und ist das Flugzeug mit einem Registerpfandrecht belastet, erstreckt sich das Registerpfandrecht auch auf die Triebwerke (§ 865 ZPO in Verbindung mit § 99 I 1 LuftFzRG (Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen)). Ein Triebwerk kann aber nach § 31 Abs. 3 und 4 LuftFzgRG frei von der Haftung werden, wenn das Triebwerk (nicht nur vorübergehend) von der Flugzeugzelle getrennt und verkauft wird, bevor der Gerichtsvollzieher das mit einem Registerpfandrecht belastete Flugzeug zum Zwecke der Vollstreckung beschlagnahmt hat.

Betriebsgenehmigung (operating license) und Luftverkehrsbetreiberzeugnis (AOC)

Eine kommerzielle Fluggesellschaft ist auf das Vorhandensein einer gültigen Betriebsgenehmigung (operating license) und eines Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOC) für die Erbringung von Luftverkehrsdienstleistungen angewiesen (s. Verordnung (EG) 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) wie von Zeit zu Zeit geändert (im Folgenden „Verordnung (EG) 1008/2008“)).

Zwar führt weder der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch die tatsächliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum automatischen Erlöschen dieser luftrechtlichen Genehmigungen, sie können (und müssen) aber vom Luftfahrt-Bundesamt (im weiteren „LBA“) widerrufen oder zumindest ausgesetzt werden, wenn das LBA nicht mehr davon überzeugt ist, dass das Luftfahrtunternehmen in der Lage ist seine tatsächlichen und potenziellen Verpflichtungen für einen Zeitraum von 12 Monaten zu erfüllen (Art. 9 Abs. 1 S. 1 und 2 der Verordnung (EG) 1008/2008).

Allerdings kann das LBA für die Dauer einer finanziellen Umstrukturierung des Luftfahrtunternehmens, aber nicht für einen längeren Zeitraum als 12 Monate, eine vorläufige Genehmigung erteilen, sofern

  1. die Sicherheit nicht beeinträchtigt ist,
  2. diese vorläufige Genehmigung gegebenenfalls Änderungen des AOC widerspiegelt und
  3. eine realistische Aussicht auf eine zufriedenstellende finanzielle Umstrukturierung innerhalb dieser Frist besteht (Art. 9 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung (EG) 1008/2008).

Nur wenn die Betriebsgenehmigung und das AOC (noch) gültig sind (bzw. eine vorläufige Betriebsgenehmigung im oben genannten Sinn erteilt wurde), ist es einer insolventen Fluggesellschaft grundsätzlich möglich, das Geschäft als Fluggesellschaft (d.h. die Erbringung von Luftverkehrsdienstleistungen auf kommerzieller Basis) während des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens fortzusetzen.

Um die luftrechtlichen Genehmigungen auch weiterhin gebrauchen zu können, sollte die Airline bei Insolvenzantragstellung ein Verfahren in Eigenverwaltung gem. §§ 270 – 285 InsO beantragen.

Ein solches Verfahren – bei dem die Airline die Verfügungsbefugnis unter der Aufsicht eines (vorläufigen) Sachwalters behält — bedarf u.a. in Bezug auf den vorläufigen Gläubigerausschuss einer sorgfältigen Vorbereitung. Das Insolvenzgericht genehmigte Air Berlin die Durchführung eines solchen Verfahrens. Allerdings wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (nach Ende des Sommerflugplans) das Verfahren in ein Liquidationsverfahren umgewandelt und der bisherige Sachwalter wurde als Insolvenzverwalter bestellt. Auch das Insolvenzverfahren der Condor ist ein solches in Eigenverwaltung und die Mehrheit der Gläubiger sowie das Insolvenzgericht haben erst kürzlich den Insolvenzplan für die Umstrukturierung genehmigt. Bei den anderen oben genannten Airlines war ein solches Verfahren keine Option, da bei oder kurz nach Insolvenzantragstellung das LBA die Betriebsgenehmigung bereits widerrufen oder zumindest ausgesetzt hatte und somit eine Fortführung des Flugbetriebs nicht möglich war.

Eurocontrol Gebühren

Im Falle eines Dry- oder Wet-Lease muss der Leasinggeber berücksichtigen, dass der insolvente Leasingnehmer möglicherweise die Eurocontrol-Gebühren, die in den letzten Monaten vor der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, nicht bezahlt hat (obwohl der Leasingnehmer im Rahmen des jeweiligen Dry- oder Wet-Lease-Vertrags zur Zahlung dieser Gebühren verpflichtet ist).

Im Rahmen der jeweiligen Verträge hat der Leasingnehmer in der Regel die Gebühren von Eurocontrol im Zusammenhang mit den von ihm, bzw. unter seinem Callsign, durchgeführten Flügen zu zahlen. Wenn diese nicht bezahlt wurden (sie werden immer in einem gewissen Zeitraum nach Durchführung der betreffenden Flüge berechnet), besteht die Gefahr, dass Eurocontrol die Zahlung dieser ausstehenden Gebühren vom (Wet) Lessor/Eigentümer „fordert“ indem Eurocontrol damit „droht“, dass das Flugzeug, wenn es jemals nach Großbritannien fliegt, nach britischem Recht (Transport Act 2000) für diese ausstehenden Eurocontrol-Gebühren beschlagnahmt und verkauft werden könnte. Obwohl Eurocontrol gemäß des „Eurocontrol-Abkommens“ nur vom tatsächlichen Schuldner die Gebühren verlangen kann, soweit dieser Eurocontrol bekannt ist. Anders als das englische, sieht das deutsche Recht, eine Beschlagnahme und den Verkauf des Luftfahrzeugs für unbezahlte Eurocontrol-Gebühren (ohne eingetragenes Registerpfandrecht) nicht vor, jedoch muss das englische Beschlagnahmerecht berücksichtigt werden, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Flugzeug auch nach Großbritannien geflogen wird.

Flughafen-Slots

Manchmal bestehen die einzigen „wertvollen“ Vermögenswerte einer Airline (die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist) in den Flughafen-Slots, d.h. den Zeitfenstern, in denen einer Fluggesellschaft von einem Koordinator die Erlaubnis erteilt wurde, die gesamte Flughafeninfrastruktur zu nutzen, die für den Betrieb eines Flugdienstes auf einem koordinierten Flughafen zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Zwecke der Landung oder des Abfluges erforderlich ist. Dies erfolgt gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates – wie von Zeit zu Zeit geändert — insbesondere durch die Verordnung (EG) 793/2004, sog. „EU-Slot-Verordnung“. Flughafen-Slots dürfen jedoch nur unter bestimmten Bedingungen übertragen werden, siehe Artikel 8a der „EU-Slot-Verordnung“.

Da Slots in jeder Flugplanperiode mindestens in einer bestimmten Anzahl auch tatsächlich genutzt werden müssen — ansonsten fallen sie zurück in den zu verteilenden Pool — kann es wichtig sein, dass die Airline zumindest für einen gewissen Zeitraum während des Insolvenzverfahrens weiter fliegen kann.

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