Nachdem sich der erste Teil der autonomen Fortbewegungsreihe – Die Chancen und Risiken des autonomen Fahrens – mit selbstfahrenden PKW und LKW auf der Straße auseinandersetzt, beleuchtet der zweite Teil dieser Reihe das autonome Fliegen.
Was ist autonomes Fliegen?
Unter autonomen Fliegen ist das Fliegen durch künstliche Steueranlagen, das heißt ohne Eingriffsmöglichkeiten durch einen Piloten, gemeint. Hierfür muss das jeweilige Luftfahrzeug selbständig und sicher auf sämtliche vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren Einflüsse reagieren können.
Darüber hinaus gibt es unbemannte autonome Luftfahrzeuge (sogenannte „unmanned aerial vehicles“ („UAV“)), die sowohl ohne menschliches Eingreifen als auch ohne an Bord befindliche Besatzung fliegen können. Sie können sowohl für militärische Zwecke als auch für die kommerzielle Nutzung, etwa als Flugtaxi im urbanen Luftverkehr oder zur Frachtbeförderung, eingesetzt werden und dabei in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten. Es gibt Projekte für große und kleine Passagierflugzeuge, Flugtaxis wie Uber Air, unbemannte Hubschrauber, aber auch Frachtflugzeuge sowie Fracht-, Militär-, Liefer- und Tankdrohnen.
Aktuelle Projekte
Aktuell sind beispielsweise Projekte wie Uber Air / Uber Elevate im Gespräch. In Köln plant das Unternehmen AirTaxi Express autonome Flugtaxis einzuführen, die preislich mit einer normalen Taxifahrt vergleichbar sein sollen.
Auch versuchen mehrere Unternehmen derzeit ein unbemanntes elektrisches vertikal startend und landendes Flugzeug (A-EVTOL) zu entwickeln. Das deutsche Unternehmen Volocopter führte seinen ersten Testflug im August 2024 am Schloss Versailles durch. Es plant seine eVTOL-Flugzeuge Ende des Jahres im Herzen von Paris fliegen lassen.
Amerikanische Start-ups wie etwa Xwing gehen davon aus, dass kleinere autonome Flugzeuge bereits ab dem Jahr 2030 und größere ab dem Jahr 2040 Passagiere ohne Piloten an Bord befördern können.
Zudem arbeitet ein US-amerikanisches Unternehmen an dem sogenannten Skydweller, einem autonomen Flugzeug, das 90 Tage ohne Piloten an Bord in der Luft bleiben kann und dafür lediglich Sonnenenergie nutzt. Es soll etwa für Notfalloperationen oder längere Frachtflüge genutzt werden. Auch sonst gibt es mehrere Projekte von Unternehmen, um insbesondere Frachtflüge autonom zu gestalten.
Chancen und Herausforderungen
Wie beim autonomen Fahren, bietet das autonome Fliegen viele Vorteile und Chancen, bringt aber durchaus auch Herausforderungen mit sich.
Im Luftverkehr gibt es im Vergleich zum Straßenverkehr weniger zu beachten: Es gibt keine Personen, die plötzlich auf die (Luft-)Straße rennen, keine defekten Ampeln sowie weniger Verkehrsteilnehmer und tatsächliche Begrenzungen, wie Häuser, Mauern oder Bäume. Experten behaupten, dass ein unbemanntes Flugzeug technisch weniger anspruchsvoll zu entwickeln sei, als ein PKW oder LKW. Des Weiteren wäre eine voranschreitende Automatisierung bei Flugzeugen gerade für Airlines bzw. Luftfrachtführer aus wirtschaftlicher Sicht äußerst interessant. Durch das Einsparen von Piloten, Gewicht und Treibstoff entstünde mehr Kapazität für Passagiere und Fracht, wodurch einerseits ein erhebliches Sparpotential und andererseits ein erhebliches Umsatzsteigerungspotential besteht.
Geringere Kosten und die Steigerung von Einnahmen der Airlines bzw. Luftfrachtführer dürften sich außerdem positiv auf Endverbraucher auswirken, die letztlich von günstigeren Endpreisen profitieren. Der Einsatz von autonomen Flugzeugen könnte ferner die Sicherheit an Bord erhöhen, denn Studien zeigen, dass bspw. mehr als 56% der Piloten bereits an Bord eingeschlafen sind. Auch gehen laut Statistiken rund 50% aller Flugzeugabstürze auf menschliches Versagen zurück. Zudem könnte der Einsatz von Flugtaxis gerade in Großstädten den urbanen Straßenverkehr entlasten. Im Bereich der Luftfracht kommen außerdem noch schnellere Lieferzeiten, verbesserte Sicherheit durch fortschrittliche Sensoren und Kameras sowie höhere Effizienz bei der Auslieferung durch den Wegfall von Ruhepausen und Schichtwechsel hinzu. Gleichzeitig wird dem chronischen Mangel an Fahrpersonal begegnet. Auch können Frachtdrohnen an schwer zugänglichen Orten starten und landen, was sie bspw. ideal für den Transport von Handelswaren und Hilfsgütern an entlegenen Orten macht.
Andererseits ist jedoch zu bedenken, dass es noch keine rechtlichen Rahmenbedingungen für den vollautonomen Flugbetrieb gibt. Auch Versicherer können bisher noch keine Deckung für unbemannte Flüge anbieten, was ihren Einsatz für Airlines bzw. Luftfrachtführer sehr riskant macht. Für kommerzielle Kurzstreckenflüge wie im Bereich der Flugtaxis gibt es zudem nicht genügend Start- und Landeplätze und kein effektives Luftraummanagement, das den Luftverkehr gerade in Großstädten steuern könnte. Auch wenn autonome Flugzeuge grundsätzlich sicherer vor menschlichem Versagen sind, können dennoch die Systeme durch Fehlfunktionen oder Dritte mit böswilligen Absichten gestört werden. In solchen Fällen müsste es eine Notfalllösung und Sicherheitsprotokolle geben, wie diese Störung schnell behoben werden kann, um etwa einen Absturz verhindern zu können. Zudem könnten extreme Wetterbedingungen wie starker Wind oder Regen die Genauigkeit von Sensoren und GPS-Systemen beeinträchtigen und dadurch den Betrieb von UAV erschweren.
Das größte Hindernis, das das autonome Fliegen birgt, ist jedoch die öffentliche Wahrnehmung und Skepsis, insbesondere in Europa. Laut einem CNBC-Bericht wollen 70% der Menschen nicht mit dem ersten unbemannten Flugzeug fliegen, das auf den Markt kommt. Sie sind allerdings eher bereit, in ein UAV zu steigen, sobald sich die Technik mehr etabliert hat. Damit ist die Skepsis gegenüber dem autonomen Fliegen noch größer als gegenüber dem autonomen Fahren.
Aussicht
Wie das autonome Fahren bringt das autonome Fliegen viele Chancen und Vorteile mit sich. Es handelt sich hierbei nicht um realitätsferne Science-Fiction, sondern vielmehr um zukunftsnahe, technisch mögliche Realität. Insbesondere im Frachtbereich versprechen unbemannte Luftfahrzeuge Schnelligkeit, Sicherheit und Kostenersparnis. Auch wenn UAV noch Herausforderungen mit sich bringen, stellen sie eine erstrebenswerte technische Innovation dar. Allerdings muss zunächst eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft erzielt werden, bevor insbesondere autonome Passagierflugzeuge oder Flugtaxis auf den Markt kommen. Aber wer weiß: Vielleicht sind die Volocopter-Testflüge ein erster Schritt in die Zukunft.