Die Vorschrift in § 424 HGB eröffnet in Anlehnung an Art. 20 CMR sowie Art. 29 CIM 1999 die Möglichkeit, das Gut unter bestimmten Voraussetzungen als verloren zu betrachten, und trifft zugleich Bestimmungen für den Fall, dass das Gut wieder aufgefunden wird.

Nach § 424 Abs. 1 HGB gilt eine Ware als verloren, wenn sie nicht innerhalb der Lieferfrist oder innerhalb einer weiteren Frist, die der Lieferfrist entspricht, jedoch mindestens zwanzig Tage oder bei grenzüberschreitender Beförderung dreißig Tage beträgt, abgeliefert worden ist.

Nach Ablauf der „Wartezeit“ von mindestens 20 bzw. 30 Tagen nach dem Ablieferungsdatum kann der Absender oder Empfänger (§ 421 HBG) Schadensersatz verlangen, als ob ein tatsächlicher Verlust des Gutes eingetreten wäre. Außerdem kann der Absender oder Empfänger den Frachtführer nach erfolgter Zahlung einer Entschädigung auffordern, das Wiederauffinden des Gutes zu einem späteren Zeitpunkt anzuzeigen. Mit dieser Möglichkeit behält sich der Absender oder Empfänger das Recht vor, zwischen Entschädigung und Ablieferung zu wählen.

Werden die Waren vor Ablauf der „Wartezeit“ wieder aufgefunden, kann der Absender oder Empfänger keinen Verlust geltend machen, ist aber berechtigt, Schadenersatz wegen verspäteter Lieferung zu verlangen.

Der Zweck des § 424 HGB ist es, für alle an der Beförderung Beteiligten innerhalb eines angemessenen Zeitraums Rechtssicherheit zu schaffen. Diese Regelung dient insbesondere dem Interesse des Absender und des Empfängers, damit diese geeignete Maßnahmen ergreifen können, wie z. B. einen Deckungskauf tätigen, sobald die „Wartezeit“ abgelaufen ist.

Interessant ist, dass § 424 HGB nicht nur für Waren gilt, die tatsächlich verloren gegangen sind, also nicht mehr aufgefunden werden können. Die Vorschrift gilt auch für Waren, deren Verbleib zwar bekannt ist, die aber dennoch nicht zugestellt werden können, z.B. aufgrund einer Beschlagnahme der Ware. Durch die Ausdehnung des § 424 HGB auf beschlagnahmte Güter werden die Interessen des Absender und Empfängers an Rechtssicherheit umfassend gewahrt.

Fazit:

  • Top 1: Nach Ablauf einer „Wartefrist“ kann der Absender oder Empfänger Ansprüche wie bei einem tatsächlichen Verlust des Gutes geltend machen. Außerdem kann das Recht auf Ablieferung vorbehalten werden, indem der Frachtführer bei Empfang der Entschädigung aufgefordert wird, sich zu melden, wenn das Gut wieder aufgefunden werden sollte.
  • Top 2: Das deutsche Frachtrecht will damit Rechtssicherheit im Einklang mit internationalen Abkommen wie der CMR und der CIM schaffen.
Mit der Welt teilen