In den vergangenen Jahren haben in Deutschland einige Luftfahrtunternehmen Insolvenz angemeldet. Dabei hat es sich nicht nur um kleinere Airlines gehandelt, denn als Air Berlin im August 2017 Insolvenz anmeldete, war Air Berlin die zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands und die siebtgrößte in der EU. Im September 2018 stellten Azur Air GmbH sowie Small Planet Airlines GmbH und im Dezember 2018 PrivatAir GmbH Insolvenzantrag. 2019 folgten Germania Fluggesellschaft mbH im Februar und Ende September Condor Flugdienst GmbH.

Aufgrund der aktuellen Corona-Krise besteht die Gefahr, dass es weitere Airline Insolvenzen gibt. Allerdings sicherte die Bundesregierung der Luftverkehrswirtschaft ihre Unterstützung zu. Die Luftverkehrsbranche sei unvermittelt und unverschuldet einer harten Belastungsprobe ausgesetzt, sagte der Koordinator für Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, vor einem Branchentreffen im Bundeswirtschaftsministerium zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus auf den Luftfahrtsektor. “Die Bundesregierung steht an der Seite der Luftfahrtunternehmen und ihrer Beschäftigten. Wir möchten helfen, dass dauerhafte Schäden abgewendet werden.” Die Beteiligten müssten alle an einem Strang ziehen, sagte Jarzombek. In diesem Zusammenhang soll ein Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz beschlossen werden.

Da es sich somit um ein nach wie vor sehr aktuelles Thema handelt, werden in diesem Beitrag einige Besonderheiten eines Airline Insolvenzverfahrens dargestellt. Das deutsche Insolvenzrecht beinhaltet zum einen die Insolvenzordnung (abgekürzt InsO) und zum anderen die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) — nachfolgend „VO (EU) 2015/848“ genannt.

Anwendbares Recht und Verfahrensstandort bei Konzerngesellschaften

Die VO (EU) 2015/848 ist insbesondre dafür maßgeblich, in welchem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren zu führen ist und welches Recht somit auf das Insolvenzverfahren Anwendung findet. Während des Insolvenzverfahrens hinsichtlich der österreichischen Fluggesellschaft NIKI war umstritten, ob nur ein Insolvenzverfahren in Berlin (dort war bereits das Insolvenzverfahren der Air Berlin anhängig) oder ob es am Sitz von NIKI in Österreich eröffnet werden sollte, beziehungsweise ob das Verfahren in Österreich als Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahren im Sinne der Verordnung (EU) 2015/848 gilt.

Luftfahrzeuge nicht im Eigentum der insolventen Airline

Da Flugzeuge oft nicht im Eigentum von Airlines stehen, sondern geleast werden, kann der Eigentümer (Lessor) vom Schuldner (bei Eigenverwaltung) bzw. dem Insolvenzverwalter (bei einem auf Liquidation ausgerichteten Insolvenzverfahrens) verlangen, dass das Flugzeug gemäß § 47 InsO an den Eigentümer herausgegeben wird.

Ist der vorläufige Insolvenzverwalter bereits ein starker, so obliegt ihm diese Verpflichtung bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren. Andernfalls ist der Schuldner verpflichtet, das Luftfahrzeug u.U. mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters während des vorläufigen Insolvenzverfahrens an den Eigentümer herauszugeben. Dies setzt jedoch eine wirksame Kündigung des Vertrags voraus und es sind die Kündigungsverbote des § 112 InsO zu berücksichtigen. Gemäß § 119 InsO können diese insolvenzrechtlichen Kündigungsverbote nicht durch eine vertragliche Regelung umgangen werden.

§ 112 InsO verbietet die Kündigung eines Mietverhältnisses (das Flugzeugleasing fällt darunter) nach dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, aufgrund folgender Umstände:

wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete (Leasingrate), der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist;

wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners (Mieters).

Durch den Ausschluss einer insolvenzbedingten Lösung vom Vertrag soll § 112 InsO verhindern, dass die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Insolvenzschuldners zur Unzeit auseinandergerissen wird und dem Schuldner/Verwalter die zur Betriebsfortführung erforderlichen Betriebsmittel entzogen werden.

Praxis-Tipp

Es kann daher für einen Leasinggeber (Lessor) ratsam sein, das Leasing vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu kündigen. Wenn die Airline das Luftfahrzeug nach Stellung des Eröffnungsantrags weiterhin nutzt, aber (auch) in dem Zeitraum nach Insolvenzantragsstellung keine Miete zahlt, kann der Lessor aufgrund eines solchen Zahlungsverzugs, den Miet-/Leasevertrag (gemäß den darin festgelegten Regelungen) ebenfalls kündigen und das Flugzeug aufgrund seines Aussonderungsrechts herausverlangen.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzgericht (auf Antrag des Schuldners) gemäß § 21 No. 5 InsO anordnen kann, dass Gegenstände, deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Der aussonderungsberechtigte Gläubiger kann hierfür zwar eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen, aber erst für einen Zeitraum, der drei Monate nach der Anordnung des Insolvenzgerichts liegt. Darüber hinaus kann der aussonderungsberechtigte Gläubiger auch einen Ausgleich des durch die Nutzung eingetretenen Wertverlusts verlangen und zwar für den gesamten Nutzungszeitraum, wobei sich die Höhe des Wertersatzanspruchs nach der Differenz des Werts der betroffenen Gegenstände bei Beginn und Ende der Nutzung bemisst.

Hinsichtlich der Rückgabe eines Luftfahrzeugs ist zudem zu berücksichtigen, dass zusätzlich umfangreiche technische Dokumentation zurückzugeben ist. Selbst wenn die Schuldner-Airline bzw. der Insolvenzverwalter kooperativ ist, kann es vorkommen, dass infolge einer Betriebsaufgabe das erforderliche technisch geschulte Personal fehlt, um das geleaste Flugzeug mit den kompletten, korrekten und auf den aktuellen Stand gebrachten Unterlagen zurückzugeben. Eine zusätzliche Herausforderung stellt sich, wenn die Übergabe des Flugzeugs samt seiner Dokumentation (in Papier- und/oder elektronischer Form) noch bestimmte Angaben und Stempel der Organisation zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit  (Continuing Airworthiness Management Organization bzw. CAMO) der insolventen Fluggesellschaft erfordert. Es ist daher wichtig, dass zumindest die CAMO-Lizenz der insolventen Fluggesellschaft noch für eine Weile gültig ist, um bei Bedarf eine solche Zertifizierung der Dokumentation zu erhalten.

Aufgrund dieser Umstände kann der Vermieter seine Rechte u.U. nur auf eigene Kosten wirksam durchsetzen. Dies erfordert eine kurzfristige Liquidität, und der langfristige Kostenersatz durch die Airline ist angesichts des Insolvenzverfahrens weitgehend unwahrscheinlich.

Bei großen und komplexen Leasinggegenständen wie Verkehrsflugzeugen sind jedoch die anfallenden Tageskosten (z.B. für Wartung sowie Haftpflicht- und Kaskoversicherung) und das mögliche Haftungsrisiko oft ein Anreiz für den Schuldner bzw. Insolvenzverwalter, die Rückgabe des geleasten Luftfahrzeugs zumindest nicht zu verhindern oder zu erschweren.

Mit einem Registerpfandrecht belastetes Flugzeug

Da Flugzeuge nach dem deutschen Insolvenzrecht als unbewegliche Gegenstände gelten (z.B. Wegener, in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 108, Rn. 14), gilt § 49 InsO für einen Pfandgläubiger, zu dessen Gunsten an einem Flugzeug ein Pfandrecht im Luftfahrzeugpfandrechtsregister beim Amtsgericht Braunschweig eingetragen ist. Da ein solches Registerpfandrecht üblicherweise eine notariell beurkundete Vollstreckungsunterwerfung enthält, kann der Pfandgläubiger jederzeit die Vollstreckung des eingetragenen Pfandrechts durch öffentliche Versteigerung des Luftfahrzeugs nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung beantragen.

Gemäß § 165 InsO kann auch der Insolvenzverwalter beim zuständigen Gericht eine Versteigerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden unbeweglichen Gegenstands (z.B. eines Luftfahrzeugs) veranlassen, auch wenn an diesem Luftfahrzeug ein Absonderungsrecht eines Pfandrechtsgläubigers besteht. In diesem Fall wird jedoch das Interesse des Pfandrechtsinhabers an dem Flugzeug berücksichtigt, wenn der nach dem Verkauf durch Versteigerung erzielte Erlös verteilt wird.

In der Regel verfügt das Insolvenzgericht zur Sicherung des Vermögens der insolventen Gesellschaft während des vorläufigen Insolvenzverfahrens ein Vollstreckungsverbot in Bezug auf die beweglichen Gegenstände der insolventen Gesellschaft und dieses Vollstreckungsverbot umfasst auch die Durchsetzung von Sicherungsrechten. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens des Schuldners kann jedoch eine solche Anordnung durch das Insolvenzgericht nicht ergehen (s. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Allerdings kann das Vollstreckungsgericht eine einstweilige Einstellung des Flugzeug-Versteigerungsverfahrens anordnen, wenn der Insolvenzverwalter dies beantragt, um eine nachteilige Veränderung im Vermögen des Schuldners zu verhindern (§ 30 d  Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung).

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